Aceto balsamico

In den letzten Jahren ist Aceto balsamico ein sehr beliebter Essig geworden. Wir informieren über dessen Merkmale und zeigen die Unterschiede zwischen den verschiedenen angebotenen Aceti.

 

Aus der Emilia, genauer gesagt aus deren Provinzen Modena und Reggio Emilia stammt der klassische Aceto balsamico. Der Name ist Programm, denn balsamico heißt eigentlich heilsam, gesund, aber auch wohlriechend. Ursprünglich galt er daher auch nicht als Essig-Würze, sondern hatte eher pharmazeutische Bedeutung. Die erste nachweisbare Nennung des Essigs stammt angeblich von um 1115, u.z. von einem Benetiktinermönch namens Donizone, der über das zufällige Auffinden eines gegorenen Sapa (Most bzw. Vin cotto) berichtete und den Geschmack lobte. Bezeugt ist die Nutzung des Aceto auch für das Jahr 1508 am Hofe des damaligen Herzogs von Modena, Alfonso I. d’Este.

 

aceto balsamico
Aceto balsamico tradizionale aus Reggio Emilia (li.) / Modena (re.)

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Heute wird Aceto balsamico natürlich nicht mehr als Arzneimittel, sondern ausschließlich in der Küche verwendet. Aber Balsamico ist aber nicht gleich Balsamico, denn unter dem Begriff firmieren unterschiedliche Arten. Beginnen wir mit dem klassischen Aceto balsamico tradizionale di Modena bzw. di Reggio Emilia. Beides sind DOP-Produkte, unterliegen in etwa den gleichen Herstellungsbedingungen[1] und unterscheiden sich primär durch die Form der Flaschen, in denen sie verkauft werden. Ausgangsbasis sind weiße Trebbiano-Trauben, teilweise auch rote Lambrusco-Trauben, die sehr süß sein müssen, also erst spät geerntet werden dürfen und zunächst zu Most, dem schon oben genannten Sapa, verarbeitet werden. Während normaler Essig aus alkoholischen Getränken gewonnen wird (z.B. Weinessig aus Wein), wird nämlich Aceto balsamico aus Traubenmost versetzt mit Essigbakterien gemacht. Dann wird der Most lange gekocht, wodurch er 30 bis 70 % seines Volumens verliert. Bei Zugabe von etwas altem Balsamico fermentiert nun der Most und wird langsam zu Essig. Dabei wird der Essig wiederholt (zu Beginn: jährlich) in das nächstkleinere Fass umgefüllt, denn durch Verdunstung reduziert sich die Menge kontinuierlich, wodurch der Essig konzentrierter und dickflüssiger wird. Ein jeder Balsamico-Hersteller hat dabei sein eigenes Rezept für das Holz der Fässer, denn dieses beeinflusst den Prozess des Essigwerdens und den Geschmack des Balsamico – gebräuchlich sind v.a. Eiche, Maulbeerbaum, Kastanie, Kirsche und Wacholder. Die notwendigen verschiedenen Holzarten sowie das permanente Schrumpfen der Menge erklären auch, weshalb Balsamico immer in Batterien von verschiedenen Fässern(meist 6 bis 12) reift.

 

aceto balsamico reifung
Umfüllen des Aceto balsamico tradizionale

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Gelagert werden die Fässer dabei nicht im Keller, sondern auf den Dachböden, wo die sommerliche Hitze die Verdunstung des Wasseranteils in den Fässern fördert. Mindestens 12 Jahre muss ein Aceto balsamico tradizionale auf diese Art reifen, um das DOC-Siegel verliehen zu bekommen. Diese lange Zeit schlägt sich natürlich auch im Preis nieder: Ein Fläschchen 12 Jahre alten Balsamicos (affinato; dt.: verfeinert) mit 100 ml kostet ca. 40 bis 70 € , doch man braucht auch meistens nur einen Teelöffel davon, um ein Gericht zu verfeinern. 25 Jahre gereifter Balsamico (extra vecchio) ist ab 100 € (100 ml) erhältlich.

 

aceto balsamico
Dachboden des Museo del Balsamico Tradizionale in Spilamberto

 

Vom Aceto balsamico tradizionale di Modena bzw. di Reggio Emilia ist der Aceto balsamico di Modena zu unterscheiden. Dabei handelt es sich um ein IGP-Produkt, an das im Vergleich zu den beiden DOPs geringere Herstellungsanforderungen[2] gestellt werden. Er darf in den Provinzen Modena und Reggio Emilia produziert werden (Herstellung und Reifen), wobei die Trauben jedoch nicht aus diesem Gebiet stammen müssen. Auch die Abfüllung kann anderswo erfolgen. Im Gegensatz zum Aceto balsamico tradizionale basiert der Aceto balsamico di Modena nicht ausschließlich auf Traubenmost, sondern Traubenmost wird mit normalem Weinessig verschnitten (bis zu 80 %!) und zudem kann auch noch Karamell (E150d) zum Färben benutzt werden. Es handelt sich um ein industriell hergestelltes Produkt, das – einmal zusammengemischt – mindestens 60 Tage in Holzfässern reifen muss. Diese Herstellungsvorgaben eröffnen weite Spielräume, weshalb IGP nicht gleich IGP ist. So kann man natürlich die gesetzten Grenzen maximal ausreizen und den Balsamico mit 80 % Weinessig ansetzen und nach der Mindestreifung von 60 Tagen sofort in den Handel bringen – das Produkt findet man dann zu sehr günstigen Preisen in den Regalen der Supermärkte und Discounter. Nach “Erfüllung der Minimalanforderungen” schmeckt dieser IGP-konforme Balsamico dann aber auch. Die Alternative ist ein IGP-Balsamico, der einen höheren Traubenmost-Anteil hat und länger reift. Während es keine Unterteilung bzgl. des Traubenmost-Anteils gibt, existiert eine solche hinsichtlich der Reifezeit: nach drei Jahren Lagerung darf der IGP-Balsamico als invecchiato (dt.: gealtert) verkauft werden. Wir haben einen solchen Balsamico (Sigillo Oro) der Firma Acetaia la Bonissima (bezogen über Bremer-Wein) probiert und haben den Unterschied gegenüber dem Supermarkt-Balsamico deutlich schmecken können.

 

Palazzo ducale in Modena
Im linken Turm des Palazzo Ducale in Modena wurden 1796 36 Fässchen Aceto balsamico gefunden

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Der Vollständigkeit halber müssen wir drei weitere Balsamico-Produkte abgrenzen. Qualitativ deutlich unter dem Aceto balsamico di Modena rangiert auf einer dritten Stufe der Aceto balsamico. Der muss nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) noch nicht einmal aus Italien stammen, sondern kann auch in China produziert worden sein. Für seine Herstellung gibt es auch keine Vorschriften – erlaubt ist alles, was das Lebensmittelrecht nicht ausdrücklich verbietet. Schließlich laufen unter dem Etikett Balsamico auch noch Condimento di balsamico und Crema di balsamico. Ersteres ist eine Art weißer Aceto balsamico. Die Farbe erhält er durch die Nutzung ausschließlich weißer Trauben und dadurch, dass der Most bei sehr niedrigen Temperaturen gekocht wird. Der Most wird dann mit Weißweinessig gemischt. Condimento heißt übrigens schlicht und einfach Würze, und der Unterschied zu normalem Aceto balsamico besteht vor allem in der Farbe, die für manche Speisen als passender empfunden wird. Crema di balsamico hat ebenfalls nicht viel mit klassischem Balsamico zu tun, denn sie enthält Verdickungsmittel, durch die sie dickflüssiger wird.

 

Was die Nutzung des Balsamico in der Küche anbelangt – und hier beziehen wir uns nur auf die DOP- bzw. IGP-Produkte – , so wird der süß-säuerlich schmeckende Essig häufig zur Herstellung einer Salat-Vinaigrette benutzt, und dies ist auch der einzige Fall, in dem der Balsamico nicht als letzte Zutat hinzugefügt wird. Ansonsten benutzt man ihn zur Veredelung von Speisen, und da wird er stets als letzte Zutat hinzugefügt. Klassisch sind ein Spritzer Balsamico auf Fleischgerichte (z.B. Kaninchen oder Kalbsschnitzel) und Fischgerichte, mitunter auch über Gemüse (besonders Möhren), vor allem aber auf Käse, allen voran der Parmesan. Die Küchen der Provinzen Modena und Reggio kennen eine ganze Fülle von solchen Rezepten. Nicht ganz so klassisch, aber in jüngster Zeit auch zu beobachten ist die Nutzung mit Obst wie Erdbeeren oder Pfirsich oder sogar als Topping von Speiseeis. Wird im Zuge der Herstellung eines Fonds Balsamico auch mal erhitzt, sollte dies nur ganz kurz erfolgen, um die Aromen nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen.

 

Viele Informationen über den Aceto balsamico tradizionale findet man im Museo del Balsamico Tradizionale in Spilamberto (MO).

 

 

Alle auf Authentisch-Italienisch-Kochen.de veröffentlichten Rezepte, die Aceto balsamico enthalten, findest du unter der Zutat Aceto balsamico.

 

 

Fußnoten    (↵ zurück zum Text; ggf. geschlossenen Text zunächst öffnen)

  1. Vgl. bzgl. des Aceto balsamico tradizionale di Modena bzw. di Reggio Emilia (Letzter Zugriff: 07.04.21)
  2. Vgl. https://ec.europa.eu/info/food-farming-fisheries/food-safety-and-quality/certification/quality-labels/geographical-indications-register/includes/showSpecification.cfm?attachmentId=64853 (Letzter Zugriff: 07.04.21)

Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 5. Januar 2024
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