Herkunfts- und Qualitätssiegel

Beschäftigt man sich ein wenig mit italienischen Lebensmitteln, stolpert man schnell über Begriffe wie STG, DOP und andere. Was hat es also damit auf sich? Ein kurzer Überblick über Herkunfts- und Qualitätssiegel.

 

Mozzarella

 

DOP und Co. sind im Prinzip Auszeichnungen, die bestimmten Lebensmitteln verliehen werden. Als Qualitätssiegel garantieren sie, dass ein Lebensmittel einem bestimmten Herstellungsgebiet entstammt und/oder bestimmten Qualitätsmerkmalen entspricht bzw. bei seiner Herstellung qualitätssichernde Produktionsverfahren eingehalten wurden.

 

Hintergrund

Interesse an einer solchen Klassifizierung haben sowohl Produzent als auch Konsument: Letzterer kann sich darauf verlassen, dass das Produkt hinsichtlich seiner Herkunft und/oder seiner Qualität bestimmten Standards entspricht, beispielsweise dass der von ihm gekaufte Parmesankäse tatsächlich ein Parmigiano reggiano ist, aus einem genau definierten Herstellungsgebiet im Umland von Reggio nell’Emilia kommt, bei seiner Herstellung bestimmte Vorschriften eingehalten wurden, der Käse danach mindestens 12 Monate gereift ist usw. Der Hersteller andererseits profitiert von einem solchen Lebensmittelsiegel dadurch, dass sein Produkt geschützt ist und nicht von beliebigen Produzenten außerhalb des definierten Herstellungsgebiets (und womöglich qualitativ minderwertig aufgrund der Verwendung anderer Zutaten und Herstellungsprozeduren) kopiert werden kann.

Das Bemühen um den Schutz von Lebensmitteln dauert schon länger an, und so existieren verschiedene Begriffe, die Ähnliches zum Ziel haben. Da der Schutz von Wein historisch gesehen (gegenüber anderen Lebensmitteln) eine Vorreiterrolle besitzt, lehnen sich einerseits heute EU-weit geltende Klassifikationen ein wenig denen im Weinbau gültigen an bzw. werden Weinbau-Siegel neben den allgemeinen EU-Lebensmittel-Siegeln aufgrund ihres Bekanntheitsgrades weitergeführt (obwohl sie eigentlich in den EU-Kategorien aufgehen sollten), wodurch die Sache etwas unübersichtlich wird. Ich versuche es schrittweise zu erklären:

 

IGT

Indicazione geografica tipica (IGT), 1992 eingeführt, bedeutet typische Herkunftsbezeichnung und bezeichnet bei Weinen die dritte Qualitätsstufe über dem allgemeinen Tafelwein ohne Jahrgangsbezeichnung und Rebsortenangabe (vino generico senza annata e vitigno) als unterste Stufe und Tafelwein mit Jahrgangsbezeichnung und Rebsortenangabe (vino generico con annata e vitigno) als zweiter Stufe.

 

IGP

Neben der Qualitätsstufe IGT gibt es auch noch parallel die Indicazione geografica protetta (IGP), also die geschützte Herkunftsbezeichnung, die 2009 im Zuge einer Neuordnung durch die EU für verschiedene Lebensmittel geschaffen wurde und die die IGT-Klassifizierung ablöst. Beispiele für ein IGP-Produkt wären (neben den vormaligen IGT-Weinen) bspw. Accetto balsamico di Modena oder die Artischocke Romanesco del Lazio.

 

DOC / DOCG

Denominazione d’origine controllata (DOC) heißt übersetzt kontrollierte Herkunftsbezeichnung. Im Weinbau entsprach dies etwa dem deutschen QbA-Prädikat (Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete). DOC wurde bereits 1963 eingeführt und entspricht im Weinbau der vierthöchsten Qualitätsstufe. Weiterentwickelt und aufgewertet wurde das DOC-Siegel zum DOCG, d.h. Denominazione d’origine controllata e garantita, also kontrollierte und garantierte Herkunftsbezeichnung, die allerdings nur für Weine genutzt wird (fünft- und letzthöchste Stufe).
gemuesefahne_55Hier eine Liste aller DOC– und DOCG-Weine.

 

DOP

Im Zuge der schon genannten Neuordnung der Lebensmittelklassifizierung durch die EU wurde im Jahre 2009 neben dem IGP-Siegel eine über diesem stehende Klasse eingeführt, nämlich die Denominazione d’origine protetta (DOP), also die geschützte Herkunftsbezeichnung. Vom DOP-System werden diverse Lebensmittel und nicht nur die Weine erfasst, wobei letztere eigentlich in der DOP-Klasse aufgehen sollten, jedoch existiert nach wie vor das DOC(G)-Siegel parallel. Gegenüber dem IGP-Siegel werden vom DOP-Siegel strengere Kriterien bzgl. Herkunftsgebiet und Herstellung angelegt. Während der oben schon genannte (relativ preiswerte und auch in Deutschland weit verbreitete) Accetto balsamico di Modena nur in die IGP-Kategorie eingeordnet wird, schafft es der (erheblich teuere und qualitativ bessere) Accetto balsamico tradizionale di Modena in die DOP-Klasse, übrigens ebenso wie die Artischocke Spinoso di Sardegna. Das Handelsvolumen der DOP-Erzeugnisse wird sich im Jahre 2023 auf über 20 Mrd. € belaufen, wovon etwas über die Hälfte der Produkte exportiert wird.[1]
gemuesefahne_55Hier eine Liste aller IGP- und DOP-Produkte.

 

STG

Im Zuge der genannten Neuordnung der Lebensmittelklassifizierung durch die EU wurde 2009 neben den höherwertigen Siegeln IGP und DOP auch noch eine dritte Klasse eingeführt, nämlich Specialità tradizionale garantita (STG), auf Deutsch garantiert traditionelle Spezialität. Dieses Siegel ist das rangniedrigste Siegel und bezieht sich nicht auf Herkunftsdeklaration sondern nur auf Herstellungsverfahren und hat für diese so weiche Kriterien, dass es für italienische Lebensmittel oftmals scheinbar nicht lukrativ erscheint. Wären Tortellini alla bolognese ein eingetragenes STG-Produkt, so könnte angeblich auch ein deutscher Produzent mit Schweine(!)-Fleisch und deutschem(!) Käse diese unter dem Namen Tortellini alla bolognese produzieren und vermarkten.[2] So wundert es nicht, dass bislang nur zwei italienische Lebensmittel dieses Siegel tragen – nämlich die Neapolitanische Pizza (die aber nicht aus Neapel kommen muss!) oder Mozzarella in seiner allgemeinen Form. Aus Kuhmilch gemachter Mozzarella (Mozzarella Fior di latte) oder aus Büffelmilch gemachter, nicht aber aus einem bestimmten Herstellungsgebiet stammender Mozzarella sind also als STG-Produkte relativ beliebig produzierbar, wohingegen der höherwertige Mozzarella di bufala campana (Büffelmozzarella aus bestimmten Gebieten in Kampanien, Latium, Molise und Apulien) als DOP-Produkt zwei Qualitätsstufen höher eingruppiert wurde und deshalb deutlich strengeren Kriterien hinsichtlich seiner Herkunft und der bei seiner Herstellung benutzten Produktionsverfahren unterliegt.

 

PAT

Kein Siegel ist mit der Liste der Prodotti agroalimentari tradizionali italiani (PAT) verbunden. Hierbei handelt es sich hingegen um eine vom italienischen Landwirtschaftsministerium aufgestellte Liste von traditionellen landwirtschaftlichen Produkten, die in gewisser Weise als schützenswert empfunden werden, jedoch nicht anderweitig durch ein Siegel geschützt sind. Gelistet werden nicht nur Ausgangsprodukte wie Gemüse, Öle usw., sondern auch damit hergestellte Gerichte (z.B. das ligurische Pesto alla genovese). Oder um es wieder am Beispiel des Mozzarella zu verdeutlichen: Auf der Liste der Region Campagna erscheint der Mozzarella nella mortella, ein mit Mirtenzweigen dargebotener und gewürzter Mozzarella aus dem Cilento. Ein wenig besteht die Gefahr, dass das Auszeichnungsmerkmal PAT durch eine etwas übereifrige Deklarierung entwertet wird: Wenn bspw. Kalabrien (unter Nr. 91 seiner PAT-Liste) die wild am Straßenrand wachsenden Kaktus-Feigen (Opuntia ficus-indica) als Besonderheit aufführt, dann wäre auf einer deutschen Liste sicherlich auch Löwenzahn zu verzeichnen …
gemuesefahne_55Hier eine Liste aller PAT-Produkte (leider seit Kurzem nicht mehr als Gesamtliste sondern nunmehr nur noch als Teillisten nach Regionen).

 

De.Co. / De.C.O.

Ähnlich verhält es sich mit der Liste der Denominazione comunale (d’origine). Hierbei handelt es sich nicht um eine staatlich geführte Liste wie die PAT-Liste, sondern der italienische Staat hat bereits 1990 den Kommunen das Recht eingeräumt, auf deren Territorium produzierte besondere Lebensmittel (auch weiterverarbeiteter Form von Gerichten) als De.Co. bzw. De.C.O., also als kommunale Benennung zu bezeichnen, wenn sie denn bestimmten Merkmalen Genüge tun. Diese Auszeichnung ist in gewisser Weise auch ein Qualitätsmerkmal, biete aber vor allem Kommunen die Möglichkeit eines “marketing territoriale”[3], wie es so schön heißt. Die Kommunen machen in ganz unterschiedlicher Weise von dieser Möglichkeit Gebrauch: Während die toskanische Hauptstadt Florenz kein einziges Lebensmittel oder Gericht als De.Co. bzw. De.C.O. angemeldet hat, hat die lombardische Hauptstadt Mailand gleich zehn typische Speisen gelistet: Barbajada, Cassoeula, Cotoletta alla milanese, Michetta, Minestrone alla milanese, Mondeghili, Ossobuco alla milanese, Panettone, Risotto alla milanese und Rostin Negaa.
gemuesefahne_55Hier eine Liste aller De.Co.- und De.C.O.-Produkte.

 

Übersicht

Zusammenfassend kann man also in Bezug auf die Herkunfts- und Qualitätssiegel formulieren:

dop DOP höherer Herkunfts- und Herstellungsschutz
lgp IGP mittlerer Herkunfts- und Herstellungsschutz
stg STG kein Herkunftsschutz, lediglich geringer Herstellungsschutz
PAT Staatliche Liste schützenswerter, aber nicht durch ein Siegel geschützter traditioneller Lebensmittel i.w.S.
De.Co. / De.C.O. Kommunale Liste schützenswerter, aber nicht durch ein Siegel geschützter traditioneller Lebensmittel i.w.S.

 

(Da die Logos leider copyright-geschützt sind, darf ich nur eine schemenhafte Vorschau zeigen – ein Klick auf das Vorschaubild führt zum “richtigen” Bild.)

 

 

Fußnoten    (↵ zurück zum Text; ggf. geschlossenen Text zunächst öffnen)

  1. Vgl. https://www.ilgiornaledelcibo.it/dop-economy/ (Letzter Zugriff: 13.04.2023)
  2. Vgl. http://www.cibo360.it/qualita/certificazioni/altre.htm (Letzter Zugriff: 02.12.2014)
  3. http://www.denominazionecomunale.it/index.php/Associazione/Cos.html (Letzter Zugriff: 02.12.2014)

Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 5. Januar 2024
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