Maccarùni 'o Roje 'e Garibarde
Makkaroni mit klassischem TomatensugoZutaten
- 170 g Spaghetti alternativ Vermicelli, Bucatini oder Ziti
- 200 g Tomaten (passata)
- 6 Blatt Basilikum
- 40 g Pecorino gereift (stagionato)
- Salz
- Pfeffer schwarz, grob
Anleitung
- Kochwasser für die Pasta aufsetzen, salzen und parallel zur Herstellung des Sugos die Spaghetti al dente kochen (nach unserer Anleitung Nudeln richtig kochen).
- Basilikum waschen, trocknen und zerrupfen, Pecorino reiben.
- Tomaten und Basilikum in einen Topf geben, leicht salzen und pfeffern und dann 20 Minuten bei geringer Temperatur köcheln.
- Vom Nudelkochwasser einige EL Kochwasser in eine größere Schüssel, die auch die Nudeln aufnehmen kann, geben und darin den Käse zu einer dickflüssigen cremigen Sauce verrühren. Ist man nicht so geschickt, den Käse in einem Simmertopf (wo er nicht zu heiß werden und klumpen kann) schmelzen.
- Die Nudeln abschütten und in die Schüssel geben und mit dem Käse so vermengen, dass die Nudeln von einem Hauch Käse ummantelt sind.
- Die Nudeln leicht pfeffern.
- Nudeln auf die Teller geben und mit einem Klecks Sugo bekrönen.
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Rezept-Hinweise
Nero d'Avola (Caruso & Minini)
Der Nero d'Avola istt samtig, warm, seine angenehme Säure konkurriert nicht mir der Säure der Tomaten. Einen Kick gibt ihm auch eine gefühlte leichte Restsüße, die aber aus dem Extrakt kommt.
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Nährwerte
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Eigentlich versuche ich, lokale Rezeptenamen zu vermeiden und stattdessen “hoch”-italienische Bezeichnungen zu benutzen. Doch bei Maccarùni 'o Roje 'e Garibarde mache ich mal eine Ausnahme – zu sehr ist das Gericht mit seiner neapolitanischen Benennung verhaftet, und eine Übertragung ins Italienische würde sehr künstlich wirken.
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Beschäftigen wir uns also mit Maccarùni 'o Roje 'e Garibarde. Das erste Wort des Rezeptenamens ist noch ohne Schwiergkeiten zu verstehen: Maccarùni sind maccheroni (it.) bzw. Makkaroni (dt.). Auf die Vieldeutigkeit des Begriffs hatten wir schon an anderer Stelle hingewiesen – unter Maccheroni verstand man früher, und besonders in Süditalien, einerseits im weiteren Sinne so ziemlich alle Nudeln, es war gewissermaßen ein Gattungsbegriff für Pasta, andererseits gebrauchte man Maccheroni im engeren Sinne als Bezeichnung für längere Nudeln (pasta lunga), wie z.B. Spaghetti, Vermicelli, Bucatini oder Ziti. In unserem kurzen Abriss zur Geschichte der Pasta haben wir schon darauf hingewiesen, dass in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Nudeln ein durchaus bekanntes Gericht waren. Sie waren lecker, machten satt und waren angesichts der zunehmend besseren Herstellungsmöglichkeiten in kleinen Fabriken (in Neapel selbst, vor allem aber im nahen Gragnano) auch ein ökonomisch günstiges Essen, das vor allem von den Lazzaroni, den meist wohnungs- und arbeitslosen “subproletarischen Massen”[1] Neapels, nachgefragt wurden. Nudeln avancierten im 18. Jahrhundert zum auch von “besseren” sozialen Schichten gegessenen Volksnahrungsmittel, mit dem man sich auch noch hundert Jahre später noch gern ernährte, wie die ersten Fotografien des 19. Jahrhunderts zeigen.
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Damals aß man tatsächlich (nicht nur) Maccheroni im wahren Sinne des Wortes als Fingerfood, nämlich mit den Händen. Erst im späten 17. und vor allem im 18. Jahrhundert wurde die Gabel populär[2] – zunächst natürlich nur beim Adel und Großbürgertum, und so dauerte es eine Zeit, bis – wie heute üblich – Spaghetti mit der Gabel am Tellerrand aufgerollt und dann mittels Gabel in den Mund befördert wurden (übrigens: Durch die Zuhilfenahme eines Löffels bei dieser Operation outet man sich in Italien sofort als Tourist!). Das Maccheroni-Essen erfolgte zudem oft im Freien, denn die Nudeln wurden nicht unbedingt in der häuslichen Küche zubereitet (nicht jeder besaß eine solche), sondern als (wie man heute sagen würde) Streetfood auf der Straße verkauft und auch gleich dort verzehrt. Am Rande des Bürgersteigs bauten mehr oder weniger mobile Händler, die maccheronari, ihre Öfen auf, auf denen sie in großen Töpfen Maccheroni kochten, die dann an Ort und Stelle konsumiert wurden.
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Gegessen wurden diese Nudeln damals zunächst unter dem Namen 'O Roje, was Neapolitanisch ist (it.: Il due) und auf Deutsch Die Zwei heißt. Zwei Centesimi kostete nämlich der Teller Pasta und aus zwei Zutaten bestand das Essen: Aus Nudeln mit Käse. Da man es mit den Namensbezeichnungen für Nudeln nicht so genau nahm, nannte man das Gericht auch Vermicelli e caso (it. caso ≈ dt. Käse). Als Käse nahm man nicht den heute üblichen Parmesan, denn dieser wäre erst aus dem hohen Norden zu importieren gewesen, sondern den lokalen und damit viel billigeren PecorinoVgl. ausführliche, bebilderte Lebenmittelinfo-Seite Pecorino oder einen reifen Caciocavallo. Die heute typische Tomatensauce gab es in den Anfängen noch nicht auf die Pasta.
Werfen wir einen kurzen Blick auf die Geschichte der Tomate in der italienischen Küche. Bis die Tomate ihren heutigen Stellenwert als Nahrungsmittel erlangte, war es ein langer Weg. Zwar wurde sie schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts nach Europa eingeführt (vielleicht durch den Genuesen Christoph Columbus, vielleicht auch durch den Spanier Hernán Cortés[3]), doch auf dem alten Kontinent tat man sich zuerst schwer mit dem Gewächs aus Südamerika. Man hielt die Tomate tendenziell für ungenießbar, wenn nicht giftig, allenfalls als Aphrodisiakum traute man ihr etwas zu, und erfreute sich ansonsten an ihr als Zierpflanze. Dies blieb lange so, und erst am Ende des 17. Jahrhunderts scheinen Tomaten sehr vereinzelt zur Saucenherstellung benutzt worden zu sein. Die älteste diesbezügliche Notiz stammt von dem Koch Antonio Latini, der am Ende seiner Karriere in Neapel bei dem Regenten Esteban Carillo Salsedo beschäftigt war und dort in Neapel 1692 bzw. 1694 die beiden Bände sein Kochwerks Lo scalco alla moderna, o vero l’arte di ben disporre i conviti veröffentlichte, in dem erstmalig ein Tomaten-Rezept veröffentlicht wurde.[4]. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts scheint dann die Tomate erstmals im Zusammenhang mit Nudeln benutzt worden zu sein.[5] Vincenzo Corrado, ein seinerzeit bekannter neapolitanischer Koch, Philosoph und Schriftsteller, ging in seinem 1773 erschienenen Kochbuch Il cuoco galante ziemlich intensiv auf das neue Nahrungsmittel ein, indem er ca. 37 Tomaten enthaltende Gerichte aufführte – doch darunter ist keines mit Nudeln …! Die Verbindung von Tomaten mit Pasta war offenbar noch nicht so populär, und wohl erst 1837 ist erstmals eine solche unter dem Rezeptnamen Vermicelli co le pommadoro dokumentiert, und zwar in der in Neapel erschienenen Cucina teorica – pratica von Ippolito Cavalcanti, Duca di Buonvicino.[6]
Erst im 19. Jahrhundert also gab es dann auf die Pasta auch Tomatensauce. Man konnte im Straßenverkauf weiterhin für zwei Centesimi Nudeln mit Käse kaufen, die Standardvariante 'O Roje. Aber nun gab es auch die Option auf einen zusätzlichen Klecks Tomatensauce, und das hieß dann 'o Roje 'e Garibarde oder kurz und bündig 'o Tre Garibaldi. Die Zutaten waren nun drei (Nudeln, Käse, Tomatensauce), und auch der Preis stieg auf drei Centesimi. Aber was hatte Garibaldi (auf Neapolitanisch: Garibarde) mit einem Tomatenklecks zu tun? Garibaldi hat bekanntlich eine führende militärische Rolle bei der Einigung Italiens, dem Risorgimento, gespielt. Am 11. Mai 1860 erreichte seine aus 1067 Freiwilligen bestehende Truppe auf dem Seeweg Sizilien und landete bei Marsala, um in der Folge nach Norden ziehend gegen die ihre Macht verteidigenden Truppen des Königreichs beider Sizilien zu kämpfen. Nach mehreren großen Schlachten zogen die Garibaldinischen Kämpfer siegreich am 7. September 1860 in Neapel ein, und damit war die verhasste Herrschaft der spanischen Bourbonen beendet.
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Um auf den Tomatenklecks zurückzukommen: Der Bezug zu Garibaldi ergibt sich insofern, als Garibaldis Soldaten rote Hemden als Uniform trugen, und da das Volk den Sturz der Bourbonen bejubelte, erfreuten sich die Rothemden großer Wertschätzung und man benannte aufgrund des roten Tomatenkleckses das neue Gericht nach Garibaldi.
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Kurioserweise ist die rote Hemdenfarbe angeblich durch den Zufall bedingt gewesen, dass Garibaldi die roten Hemden von einer Fabrik in Montevideo bekam, die diese eigentlich als Schutzkleidung an argentinische Schlachthäuser exportiert wollte.[7] Andererseits war in Neapel das Rot schon früher die Farbe der Aufständischen: 1647 fand der von dem Fischer und Obsthändler Masaniello[8] angeführte Aufstand statt, der sich gegen die katastrophalen sozialen Bedingungen für die unteren Gesellschaftsschichten unter der Herrschaft der spanischen Habsburger richtete. Auch hier trugen die Aufständischen revolutionäres Rot.
Die Tomatensauce für Maccarùni 'o Roje 'e Garibarde wurde übrigens tatsächlich ohne Öl, Schmalz oder anderes Fett hergestellt. Lediglich Basilikum und Salz waren als Zutaten üblich. Und Pfeffer, der auch schon in der Version ohne Tomatensauce benutzt wurde. Um dieser ersten Version möglichst nahe zu kommen, streue ich den Käse nicht oben drauf, sondern schmelze ihn, damit ein Hauch Käse die Nudeln ummantelt. Das hat man vermutlich früher nicht so gemacht (in der Literatur ist immer nur von einer “Handvoll Käse” die Rede), doch so kann man – vor dem Unterrühren des Tomatensugos – erahnen, wie 'o Roje ohne Tomaten geschmeckt haben mag. Übrigens bestanden die Neapolitaner schon in der Anfangsphase ihres Nationalgerichts darauf, dass die Pasta bissfest sein muss. Allerdings nannte man das damals noch nicht al dente sondern verde, verde (dt.: grün), vermutlich in Analogie zu der harten Konsistenz unreifer, noch grüner Früchte. Und es war nur das auf der Straße speisende Volk, das gern verde, verde aß – die Oberschicht liebte hingegen weichgekochte Nudeln. Aber auch, wenn Adel und Großbürgertum auch gerne Pasta aßen – vor allem wegen des niedrigen Preises, der allzeitigen Verfügbarkeit und der dadurch riesigen Nachfrage blieben Maccheroni mit Käse und ggf. Tomatensauce im 19. Jahrhundert ein typisches Gericht der Cucina povera. Aber es war auch nicht nur die Speise der Armen, sondern das Gericht schaffte es im Laufe der Jahre, das Arme-Leute-Image abzulegen und zu einem nationalen Gericht zu werden. Maccarùni 'o Roje 'e Garibarde ist nicht nur das Ausgangsgericht, aus dem sich die heutigen Spaghetti alla napoletana entwickelt haben, sondern auch der zentrale Pfeiler der Pastasciutta, die einen ganz wesentlichen Anteil an der nationalstaatlichen Einigung Italiens hat, indem sie auf der kulturell-kulinarischen Ebene das verbindende Element der doch sehr unterschiedlichen, teilweise ganz andere Sprachen sprechenden italienischen Regionen war. Und über diese Funktion hinaus ist das Gericht in seiner heutigen Form als Spaghetti mit Tomatensauce ein international bekannter Sympathieträger Italiens geworden, ja ein Stückchen italianità. Insofern ist dem neapolitanischen Schriftsteller Luciano de Crescenzo[9] sicherlich zuzustimmen, wenn er formuliert:
“Die Entdeckung der Tomate (und wir sind geneigt zu ergänzen: und deren Zusammentreffen mit der Nudel) bedeutet für die Geschichte der Ernährung das, was für die Entwicklung des sozialen Bewußtseins die französiche Revolution gewesen ist.”[10]
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Hier findest du mehr Rezepte aus Kampanien.
- Dieter Richter: Con gusto. Die kulinarische Geschichte der Italiensehnsucht, Berlin (Wagenbach) 2021, S. 33↵
- Vgl. Hilde Weiss: Zur Geschichte der Esskultur – Zurück zu den Fingern (Letzter Zugriff: 25.01.19)↵
- Vgl. https://it.wikipedia.org/wiki/Solanum_lycopersicum (Letzter Zugriff: 25.01.19)↵
- Vgl. Sorrento News – Tele Street Arcobaleno: Dai maccheroni al ragù napoletano (Letzter Zugriff: 25.01.19)↵
- Vgl. Paola Gho (Hg.): Dizionario delle cucine regionali italiane, Bra [Slow Food Editore] 2008, S. 486↵
- Vgl. https://www.aifb.it/calendario-del-cibo/settimana-nazionale-del-pomodoro/ (Letzter Zugriff: 25.01.19)↵
- Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Zug_der_Tausend (Letzter Zugriff: 25.01.19)↵
- Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Masaniello (Letzter Zugriff: 25.01.19)↵
- Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Luciano_De_Crescenzo (Letzter Zugriff: 25.01.19)↵
- “La scoperta del pomodoro ha rappresentato, nella storia della alimentazione, quello che, per lo sviluppo della coscienza sociale, è stata la rivoluzione francese.” Luciano de Crescenzo: La storia del “Pomodoro sammarzano” (Letzter Zugriff: 25.01.19)↵
Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 5. Januar 2024
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