Gemüse, Olivenöl, Hartweizen und typische Cucina povera-Gerichte sind die vielleicht vier wichtigsten Kennzeichen der apulischen Küche. Informationen zur Region Apulien, seiner Regionalküche und viele Rezepte aus der Region findest du hier.
Direkt zu den Rezepten |
Bildinfo
Page URL: https://it.wikipedia.org/wiki/File:Map_of_region_of_Apulia,_Italy,_with_provinces-it.svg#file
File URL: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/4/46/Map_of_region_of_Apulia%2C_Italy%2C_with_provinces-it.svg/609px-Map_of_region_of_Apulia%2C_Italy%2C_with_provinces-it.svg.png
Attribution: By Vonvikken, pubblico dominio, via Wikimedia Commons
Authentisch-Italienisch-Kochen.de
Bildinfo
Page URL: https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ATerritori_pugliesi.JPG
File URL: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/8f/Territori_pugliesi.JPG
Attribution: Italian Wikipedia user Zappuddu [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons
Authentisch-Italienisch-Kochen.de
Bildinfo
Page URL: https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AAltimetria_Puglia.svg
File URL: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a3/Altimetria_Puglia.svg
Attribution: By Luigi Chiesa (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons
Authentisch-Italienisch-Kochen.de
Ungefähr 4 Millionen Einwohner leben in Italiens östlichster Region, sozusagen in der Hacke des Stiefels. Verwaltungstechnisch ist Apulien in sechs Provinzen aufgeteilt, wobei die Hauptstadt Bari ist. Kulinarisch (und auch touristisch) ist jedoch eine Orientierung an Landschaften sinnvoller, die die Kultur – und damit auch die Esskultur – stärker prägen.
Bergige Landschaften finden sich nur mit der Daunia (als Apenninausläufer) im Nordwesten und mit dem Gargano im Nordosten. Letzterer ist touristisch sehr erschlossen. Die dazwischen liegenden Tavoliere delle Puglie sind (nach der Po-Ebene) Italiens zweitgrößte Ebene und werden sehr stark landwirtschaftlich, vor allem zum Gemüseanbau, genutzt. Die Terra di Bari besteht aus einer relativ dicht besiedelten Küstenlandschaft und einer dahinter gelagerten, leicht hügeligen Landschaft namens Murgia. Auch diese Gegend ist aufgrund der vielen romanischen Kirchen und vor allem wegen des Castel del Monte touristisch stark erschlossen, ebenso wie das angrenzende Valle d’Itria, das die höchste Trulli-Dichte Apuliens aufweist. Der Salento wiederum ist sehr flach und wird vor allem landwirtschaftlich genutzt, besitzt aber ebenso wie der Golf von Tarent viele schöne Sandstrände, die Touristen ebenso anziehen wie z.B. die Barock-Stadt Lecce im Salento oder die Grottenkirchen Massafras bei Tarent.
Bildinfo
Page URL: https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ACoat_of_Arms_of_Apulia.svg
File URL: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d0/Coat_of_Arms_of_Apulia.svg
Attribution: By Angelus (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
Authentisch-Italienisch-Kochen.de
In den weiten Ebenen Apuliens und auf den leicht welligen Hügeln wird intensiv Gemüseanbau betrieben, dessen Erfolg vier Faktoren garantieren: das gut bearbeitbare Terrain, das warme Klima, das nahezu ganzjährig irgendetwas wachsen lässt, das nicht im Überfluss, aber doch in ausreichendem Maß vorhandene Wasser, und schließlich (ohne zynisch sein zu wollen) die ebenfalls ausreichend vorhandenen billigen Arbeitskräfte, die meist Saisonarbeiter in Gestalt von extracomunitari (Emigranten aus Nicht-EU-Ländern) sind und oft weit unter dem Mindestlohn bezahlt werden. Der intensive Gemüseanbau hat einerseits zur Konsequenz, dass Apulien einen großen Teil des italienischen Bedarfs an landwirtschaftlichen Produkten herstellt und bei vielen Produkten sogar der größte Produzent ist, wie z.B. von Olivenöl (ca. 37 % italienischen Gesamtproduktion[1]). Sogar ungefähr 50 % der italienischen Tomaten[2] werden allein in der Provinz Foggia angebaut. Wenn auch der Beitrag der Landwirtschaft zum in Apulien erstellten Bruttoinlandsprodukt in den letzten Jahren um fast 9 %[3] gesunken ist, so ist die Landwirtschaft doch noch immer eine starke ökonomische Säule.
Andererseits aber beeinflusst der Gemüseanbau natürlich die lokalen Essgewohnheiten. Und ich muss sagen, dass ich wirklich nie woanders in Italien so viel frisches Gemüse auf dem Tisch bzw. in den Speisen gesehen habe, und zwar sowohl von der Menge her als auch von den verschiedenen Gemüsearten. Um mit letzteren anzufangen: Nicht nur die gängigen Gemüsesorten (darunter der für Apulien typische Brokkoli und andere Kohlarten) werden in Apulien produziert, sondern auch solche, die nicht nur für uns, sondern auch für Italiener ziemlich ausgefallen bis unbekannt sind, wie z.B. Stängelkohl (Cima di rapa), Zichorien (Cicoria) oder eine essbare Traubenhyazinthe namens Lampascioni.
Auch Pasta wird gern mit Gemüse gekocht, ja Orecchiette alle cime di rapa sind gewissermaßen das Nationalgericht Apuliens. Besonders Orecchiette und Cavatelli sind zwei besonders beliebte Nudelsorten der Region, erstere auch über diese hinaus bekannt. Letztere isst man gern mit (ansonsten in Italien relativ unbekannten) Kräuterseitlingen als Cavatelli ai cardoncelli. Weitere typische lokale Sorten sind bspw. die breiten Trie oder die langen, spiralförmig gedrehten Sagne incannulate, beide aus dem Salento, oder die spaghettiähnlichen Troccoli aus der Provinz Foggia. Angesichts der Vielfalt verschiedener vor allem lokal geschätzter Pasta-Sorten erscheint plausibel, dass Pasta in Apulien oftmals noch selbst zu Hause hergestellt wird, denn für die fabrikmäßige Pastaproduktion ist die oft lokal begrenzte Nachfrage auch nicht groß genug. Aber auch klassische Pastasorten wie Spaghetti werden, z.B. als Spaghetti all’assassina, in Apulien gern gegessen.
Reis spielt in der apulischen Küche eine geringe Rolle: Mit Tiella gibt es zwar auch ein Reis-Gericht, das zu den Aushängeschildern der Regionalküche der Terra di Bari gehört, doch ansonsten dominiert eindeutig Pasta in allen Variationen. Dies ist insofern auch verständlich, als in Apulien sehr viel Hartweizen angebaut wird: Mit 22 % der italienischen Gesamtproduktion[4] ist Apulien die Region, in der am meisten Hartweizen produziert wird. Und Hartweizen benötigt man viel in Italien, schließlich wird der allergrößte Teil der Pasta aus Hartweizen (und nicht Weichweizen) gemacht. In Apulien braucht man Hartweizen darüber hinaus zur Brotherstellung: Einige typische Brotsorten wie das Pane di Altamura (mit DOP-Status) aus der Murgia wird eben aus Hartweizen hergestellt. Diese Brote haben dann eine leicht gelbliche Farbe und sind länger haltbar, da sie nicht so schnell hart werden.
Apulien war über Jahrhunderte ein ziemlich armes Land, und so ist die Küche eher eine einfache, rustikale, ohne aristokratische Anwandlungen. Man kann sogar so weit gehen und sagen, dass die apulische Küche weitgehende eine Cucina povera ist, und zwar im doppelten Sinne, insofern als einerseits preiswerte Zutaten benutzt werden, andererseits dabei aber sehr schmackhafte Gerichte entstehen, die gerade durch das Unverfälschte der einfachen Zutaten und deren gekonnte Kombination bestechen. Ein Gericht wie Fave e cicoria (Saubohnen mit Zichorie) oder Ciceri e tria (Nudeln mit Kichererbsen) ist aufgrund der Zutaten vielleicht auf den ersten Blick nicht gerade erste Wahl, doch wer es probiert, wird die Reize einer bodenständigen Cucina povera zu schätzen wissen.
Diese relative Armut zeichnet auch das Fleischangebot aus: Rindfleisch gibt es wenig, dafür dominieren Federvieh, gejagtes Kleintier und Schweinefleisch, auch Würste (salsicce) und Frikadellen (polpette). Die entsprechenden Gerichte sind meist sehr lecker, doch bekanntere Fleischgerichte haben sich nicht herausgebildet, sieht man vielleicht von den Bombolette genannten Schweine-Rouladen ab, die aus dem Tarentinischen stammen und mit Käse gefüllt sind. Landestypisch sind auch noch einige Speisen, die mit dem sehr beliebten Esels- oder Pferdefleisch gekocht werden, wie Braciola di asino (Eselskotelett) oder Involtini di cavallo (Pferdefleischrouladen). Auch Gerichte aus Schaffleisch sind relativ typisch, besitzt doch Apulien hinter Sardinien und dem Latium das drittgrößte Schafsvorkommen Italiens.
800 Kilometer ist die apulische Küste lang, und so wundert es nicht, wenn Fisch eine große Rolle in der Küche Apuliens spielt. Fisch wird natürlich als Secondo serviert, ist aber auch Bestandteil vieler Gerichte, bei denen Fisch nur eine Zutat unter anderen ist (z.B. Muscheln in der Tiella barese). Oder er wird sogar allein und ohne alles roh aus der Hand gegessen, wie z.B. Anchovis, die man aber auch gern frittiert. An der adriatischen Küste isst man bei Bari gern Polipetti, eine Art kleine Tintenfische, oder bei Polignano Seebarben. Im am ionischen Meer gelegenen Gallipoli schätzt man Zuppa di pesce alla gallipolina und dort im warmen, flachen und relativ sauberen Wasser des Golfs von Tarent werden die bekannten Miesmuscheln gezüchtet, die man z.B. als Zuppa di cozze alla tarantina oder als Spaghetti con le cozze in bianco speist. Schon seit der römischen Antike werden ebenfalls bei Tarent Austern gezüchtet.
Auch das Käseangebot ist recht vielfältig. Im Norden wird z.B. ein besonderer Caciocavallo-Käse hergestellt, genannt Caciocavallo podolico. Auch beim Ricotta finden sich besondere Varianten: Ricotta forte hatte ich bereits in einem eigenen Beitrag kurz vorgestellt, ebenso den Ricotta marzotica aus dem Salento oder den Cacioricotta. Auch einen typisch apulischen mozzarella-ähnlichen Käse gibt es, den Burrata, und auch diesen habe ich bereits eigens portraitiert. Aus der Murgia stammt der Schafskäse Canestrato pugliese (mit DOP-Status), der auch ein wenig Kuhmilch enthält und in verschiedenen Reifegraden produziert wird.
Was schließlich die Dolci anbelangt, so dominieren solche mit Mandeln. Einen größeren Bekanntheitsgrad besitzen Carteddate, ein Weihnachtsgebäck, und Pasticciotti, ein altehrwürdiges Mürbeteiggebäck aus dem Salento.
Wobei wir über das Gebäck noch einmal zum Teig kommen, und zu diesem muss ich unbedingt noch einmal kommen, denn sonst würde etwas Wesentliches der apulischen Küche fehlen. Typisch sind nämlich diverse Spuntini, kleine Häppchen für eine Zwischenmahlzeit, und diese sind oft aus Teig gemacht. Zwiebackartiges Brot namens Friselle wird ganzjährig mit verschiedensten Auflagen gern mal zwischendurch gegessen. Besonders im Winterhalbjahr bereitet man zu verschiedenen Anlässen Pettole zu, das sind frittierte Hefeteigbällchen. Ebenfalls frittiert werden Sgagliozze (Stückchen aus aufgeschnittener Polenta) oder Panzerotti pugliesi, eine Art frittierte Pizza. Mit ähnlichen Zutaten macht man den Rustico leccese, doch hier wird Blätterteig gebacken und nicht frittiert. All dies wird oft als Streetfood verkauft, und unter diesem Aspekt sind auch noch die Calzone di cipolle, die Focaccia barese oder eine Brötchenart namens Puccia (oft mit Oliven) zu nennen. Eine Aufzählung von Teigwaren wäre unvollständig, wenn man nicht die Taralli erwähnen würde, ein kringelförmiges salziges Gebäck. Dienten Taralli früher als haltbares Brot bei längerer Abwesenheit, so werden sie heute gern zum Aperitif geknabbert.
Zur Vertiefung: | |
– Lebensmittel-Museen in Apulien | |
– Kriminalromane aus Apulien |
Rezepte aus Apulien
Willst du mehr über Regionalküchen wissen, dann findest du hier noch
- einen Beitrag über mögliche Ursachen der Entstehung regionaler Küchen in Italien
- eine Karte zur Auswahl einer anderen Region und deren typische Rezepte
- ein Verzeichnis aller regional nicht genau zuzuordnenden Rezepte
- Vgl. https://it.wikipedia.org/wiki/Puglia (Letzter Zugriff: 10.02.2017)↵
- Vgl. https://it.wikipedia.org/wiki/Olio_di_oliva#Produzione_e_mercato_mondiale (Letzter Zugriff: 10.02.2017)↵
- Vgl. https://it.wikipedia.org/wiki/Puglia (Letzter Zugriff: 10.02.2017)↵
- Vgl. http://www.lagazzettadelmezzogiorno.it/news/puglia/404550/produzione-di-grano-aumenta-in-puglia-ma-e-sos-su-vendita.html (Letzter Zugriff: 10.02.2017)↵
Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 26. November 2024
Wird die Seite ganz oder in Teilbereichen nicht richtig angezeigt, freuen wir uns über einen kurzen Hinweis an
matta@a-i-k.de
- Maritozzi
- Carciofi sott’olio
Vielen Dank für die ausführlichen Infos zu Apulien! Die Rezepte sehen alle sehr lecker aus, da werde ich sicher das eine oder andere mal ausprobieren!
Viele Grüße Kaja
liebe matta
ich schliesse mich dem lob anderer schreiberInnen vollumfänglich an. hab auf dem netz selten so umfangreich recherchierte einträge zur apulieschen küche gefunden. ich beziehe mich explizit auf die apulische küche, weil ich seit jahren mit dieser auseinandersetze.
solltest du lust auf noch mehr apulien verspüren kannst du gerne mein kochbuch “apulien. entdecken und geniessen im tal der trulli” durchstöbern.
eventuell ist der werd verlag bereit, dir ein kostenloses rez.ex zukommen lassen.
nochmals meine hochachtung
herzlich
stephan
Liebe Katja, lieber Stefan,
ich bedanke mich ganz herzlich für eure netten Worte. Besonders von einem ausgewiesenen Apulien-Kenner Anerkennung zu finden – mi piace …
Liebe Grüße
Matta
Liebe matta,
Ich bin wirklich schwer beeindruckt und habe aller höchsten Respekt vor deiner Recherche.
Während ich deinen Artikel las, war ich zu Tränen gerührt.
Mein Vater kommt Suchard Apulien (Salice Salentino) und ich bin gerade wieder dort zum Urlaub machen. Ich habe hier so viele unglaublich gute Sachen gegessen. Habe aber leider keine Rezepte dafür.
Kennst du vielleicht noch mehr Rezepte und auch Focaccia alla Patate und die Füllung dazu? Oder Rape Gerichte? Auch Facholini (ich hoffe ich schreibe das richtig) sind sehr beliebt.
Lieben Gruß Christian
Lieber Christian,
das freut mich, dein Lob! Bzgl. der Focaccia alle patate werde ich recherchieren, vielleicht finde ich neben dem bereits veröffentlichten klassischen Cima-Gericht mit Orecchiette auch noch weitere.
Viele Grüße
Matta
Oh Matta,
was bin ich froh deine Seite gefunden zu haben.
Mein Vater war aus San Severo- Foggia. Waren im Sommer immer in Puglia.
Leider sind viele Zii schon verstorben um nach den Rezepten zu fragen.
Wollte soooo lange schon bestimmte Gerichte nachkochen. Aber teilweise kennt man bestimmte Gemüsesorten gar nicht in Deutschland.
Grazie di cuore,
Tosca
Hallo Tosca, das freut mich, dass du offenbar einige gesuchte Gerichte hast finden können. Viel Spaß beim Nachkochen wünscht
Matta