Die Küche der Region Friaul – Julisch Venetien, im nordöstlichsten Zipfel Italiens gelegen, ist durch zwei unterschiedliche Merkmale charakterisiert: Sie ist einerseits eine einfache, bäuerliche, bodenständige, deftige Küche mit langer lokaler Tradition, die andererseits aber auch deutlich Einflüsse der geographisch nahen Nachbarn Österreich, Slowenien und Venetien aufweist. Weitere Informationen zur Region Friaul – Julisch Venetien, seiner Regionalküche und viele Rezepte aus der Region findest du hier.
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Über die Region Friaul – Julisch Venetien zu schreiben, ist insofern ein schwieriges Unterfangen, als es sich eigentlich historisch um zwei unterschiedliche Regionen handelt. Das Friaul, das die Provinzen Pordenone, Udine und Teile der Provinz Gorizia umfasst, gelangte schon relativ früh im Zuge des Risorgimento (des Entstehungsprozesses des italienischen Staates) zu Italien, während das im Süd-Osten gelegene Julisch Venetien erst nach dem Ersten Weltkrieg von Österreich losgelöst und Italien zugeschlagen wurde. Doch ein Resultat des folgenden Zweiten Weltkriegs war die Übertragung des weitaus größten Teils Julisch Venetiens an das damalige Jugoslawien. Das Territorium des historischen Julisch Venetiens liegt daher heute in den Staaten Slowenien, Kroatien und (zum geringen Teil) Italien. Da zu Italien nur noch die Provinz Triest und Teile der Provinz Gorizia gehören, lag es nahe, das italienische Julisch Venetien mit dem Friaul zu einer Region zusammenzuschließen, was 1963 geschah. Die unterschiedliche Geschichte der verschiedenen Teile dieser Region kam auch darin zum Ausdruck, dass im Friaul das Furlanische (noch heute die Muttersprache für rund die Hälfte der 1,2 Mio. Einwohner der Region) stark verbreitet war, während in anderen Landesteilen Slowenisch, Venezianisch und zum Teil sogar Deutsch gesprochen wurde. All dies führte dazu, dass bei der Bildung der Region Friaul – Julisch Venetien dieser Region als sogenannter autonomer Region viele Selbstverwaltungsrechte eingeräumt wurden, andererseits aber auch sprachliche und ethnische Minderheiten durch entsprechende Gesetze Schutz fanden. Ausführungen über die verschiedenen Kulturen der Region wären unvollständig, würde man es unterlassen zu erwähnen, dass so herausragende, das italienische Geistesleben bestimmende Persönlichkeiten wie Italo Svevo, Pier Paolo Pasolini oder Giorgio Stehler aus der Region stammen.
Detailkarten der Provinzen
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Angesichts der hier nur grob skizzierten komplizierten Geschichte, der unterschiedlichen Traditionen und vor allem unterschiedlichen Sprachen ist es kein Wunder, dass auch die Küche der Region sehr vielfältig ist und nicht nur auf lokalen kulinarischen Traditionen beruht, sondern auch Einflüsse der Nachbarn Slowenien und Österreich zeigt. Von Cevapcici bis hin zur Krapfen, Gugelhupf und Sacher-Torte wurde vieles adaptiert. In jedem Fall ist die Küche wegen der nördlichen geografischen Lage der Region nur bedingt eine mediterrane Küche. Es handelt es sich vor allem um eine Küche der Berge und Hügel. Vor allem aber enthält sie viele Gerichte der typischen Cucina povera. Von ein paar großen Wirtschaftsunternehmen wie Illy (Kaffee) oder Assicurazioni Generali (Versicherungen) abgesehen, ist die Wirtschaftsstruktur der Region vor allem durch Klein- und Kleinstunternehmen geprägt, deren Aktivitäten die Region durchaus wirtschaftlich gut dastehen lassen: Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt um immerhin 7 % über dem italienischen Durchschnitt.[1] Doch dies war nicht immer so, und daran erinnern viele Gerichte, die in schlechteren Zeiten entstanden, aber aufgrund ihres guten Geschmacks durchaus auch in wohlhabenderen Zeiten ihren Platz behaupten können.
Eingangs habe ich die Küche der Region schon als eine einfache, bäuerliche, bodenständige, deftige charakterisiert. Verdeutlichen kann man dies gut am Beispiel der in der Region servierten Gemüsearten. Natürlich gibt es auch den teuren weißen SpargelVgl. ausführliche, bebilderte Lebenmittelinfo-Seite Spargel, der u.a. bei Tavagnacco (UD) angebaut wird und z.B. in Gerichten wie Asparagi gratinati (überbackener Spargel) verwendet wird. Doch typischer sind wahrscheinlich Gerichte wie Risotto alle ortiche (Reis mit Brennnesseln), Crauti (Sauerkraut) oder die ähnliche Brovada: Dabei werden ganze, weiße Rüben für mindestens einen Monat in Trester (Pressrückstände aus der Weinproduktion) eingelegt – aufgrund der langen Gärungsphase ist das Rezept nur bedingt für den Hausgebrauch geeignet. Gegessen wird Brovada, das eines von nur vier DOP-Produkten der Region ist, übrigens oft als Minestra di fagioli e brovada (Bohnensuppe) oder als Brovada con musetto, was die wohl bedeutendste Wurst der Region ist, nämlich eine cotechinoartige Wurst aus Schweineschnauze, die u.a. mit Koriander, Piment, Zimt, Muskat und Weißwein kräftig gewürzt wird. Das vermutlich typischste pflanzliche Nahrungsmittel – und damit kommen wir zu den Primi – ist allerdings nicht die Rübe sondern der Mais bzw. die daraus gewonnene und nahezu allgegenwärtige PolentaVgl. ausführliche, bebilderte Lebenmittelinfo-Seite Polenta. Dieser Maisbrei wird in unterschiedlicher Konsistenz gekocht (im Friaul eher etwas fester), und zwar in der Grundversion pur oder in unzähligen Varianten mit Kräutern, Pilzen, Gemüse oder auch Käse (Toc’ in braide oder auch Polenta concia) oder Wurst verfeinert, was auch durch anschließendes Braten oder gar Grillen erfolgen kann. Polenta dient als Beilage zu Fleisch oder auch Fisch, wird aber auch allein gegessen – schließlich war früher die sättigende Polenta das Hauptnahrungsmittel und wurde täglich mehrmals verspeist, Brot gab es allenfalls am Sonntag. Die übermächtige Stellung der Polenta hat zur Folge, dass Nudeln, die ansonsten in Italien die Funktion des Sättigens innehaben, eher ein Schattendasein führen. Zu erwähnen sind diesbezüglich jedoch Cjarsons, eine Art Ravioli, die geschmacklich auch Süß und Salzig vereinen können und besonders im Norden der Region, in den Karnischen Alpen, gegessen werden. Besonders dort sind auch Gnocchi beliebt, z.B. Gnocchi di susine (Zwetschgenknödel), die tatsächlich nicht als Dessert sondern als Primo gegessen werden. Auch Reis ist in verschiedenen Varianten als Risotto, z.B. als Risotto al sclopit (mit Sprossen von Taubenkopf-Leimkraut[2]) oder der schon oben genannte Risotto alle ortiche, durchaus anzutreffen, auch für Suppen wird Reis benutzt (z.B. Minestra di riso alla friulana). Suppen sind ohnehin eine bedeutende Untergruppe der Primi, oft werden sie aus lokalen Kräutern und Gemüsesorten, vor allem Bohnen und Kartoffeln in unzählbaren Varianten, oder auch Fisch – z.B. Brodeto alla triestina (Fischsuppe auf triester Art) – gekocht und haben teilweise schon Eintopf-Charakter, z.B. Jota (Eintopf mit Bohnen und Brovada).
Was Fleisch als Untergruppe der Secondi anbelangt, so ist Schweinefleisch eindeutig führend. Zwar sind auch Schaf- (z.B. Spezzatino di agnello [Lammragout]) und insbesondere Gänse- (z.B. Oca arrostita [Gänsebraten]) und Entengerichte (z.B. Anatra in agrodolce [Ente süßsauer]) populär, doch das Schwein, das mitunter auf dem Land noch als klassisches Hausschwein in Einzelhaltung gehalten wird, wird nicht nur zu typischen Gerichten verarbeitet (z.B. Maiale con i crauti [Schweinebraten mit Sauerkraut]), sondern wird vor allem in der Wurstwarenherstellung benötigt. Einen hohen Qualitäts- und Bekanntheitsgrad haben die beiden rohen Schinkenarten Prosciutto di San Daniele (DOP) und Prosciutto di Sauris (IGP), die wir beide auf einer Lebensmitteinfo-SeiteVgl. ausführliche, bebilderte Lebenmittelinfo-Seite Roher Schinken aus dem Friaul genauer vorstellen. Rindfleisch kommt vor allem bei aus der (österreich-) ungarischen Küche übernommenen Gulasch-Gerichten wie Goulasch alla triestina zum Einsatz. In küstennahen Gebieten kommt auch Fisch als Secondo auf den Tisch. Bekannt sind besonders der Baccalà alla triestina (Klippfisch auf triester Art) oder Boreto alla graisana, ein Fischeintopf aus Grado.
Mit Frico berühren wir nicht nur eines der bekanntesten Gerichte der Region, nämlich eine Art Käse-(Kartoffel-)Fladen, sondern auch den wichtigsten Käse der Region, der die Hauptzutat des Gerichts ist. Montasio heißt der aus den karnischen Alpen stammende Käse. Er ist ein DOP-Käse und wird in verschiedenen Reifestufen gehandelt. Nach mindestens zwei Monate Reifezeit kommt er als junger (fresco) Käse in den Handel, mit sechs Monaten ist er mittelreif (semistagionato oder mezzano) und nach zehn Monaten gilt er als reif (stagionato oder stravecchio). Letzterer wird in Friaul – Julisch Venetien fast immer anstelle von Parmesan oder Grana padano als Reibkäse benutzt. Frico wird übrigens aufgrund seines Fett- und Kalorienanteils oft als Piatto unico, also als Einzelgericht außerhalb der klassischen Speisefolge, gegessen. Dies gilt teilweise auch für die Frittate, die Omeletts, die in der Küche der Region auch eine gewisse Rolle spielen.
Kommen wir zu den Dolci. Die bekannteste Süßspeise der Region ist sicherlich das Weltruhm genießende Tiramisù. Ob es tatsächlich im Friaul – Julisch Venetien erfunden wurde, darüber streitet man erbittert mit der Nachbarregion Venetien, doch das begehrte PAT-Siegel für ein historisch verbürgtes Lebensmittel hat Friaul – Julisch Venetien zeitlich vor der Konkurrentin Venetien erhalten. Bekannt ist auch Gubana, ein klassischer, reich gefüllter Hefekuchen. Die triester Kuchenspezialität Presnitz, ein gefüllter Blätterteig-Strudel, klingt zwar vom Namen her eher deutsch-österreichisch, scheint jedoch eine triester Erfindung zu sein, weshalb sie hier nicht unter den Tisch fallen soll. Man möge mir jedoch nachsehen, dass ich Speisen eindeutig deutsch-österreichischer Herkunft wie Krapfen, Gugelhupf und Sacher-Torte hier nicht mit Rezept vorstelle, wenn keine deutliche lokale Veränderung des importierten Rezepts erkennbar ist, auch wenn die entsprechenden Speisen einen messbaren Rang unter den verbreitetsten Gerichten der Region bekleiden.
Ein Beitrag über die Küche Friauls – Julisch Venetiens wäre unvollständig, wenn man den Komplex Alkoholika nicht aufgreifen würde. Stammen aus der Region doch hervorragende Weine, und zwar sowohl weiße als auch rote. Unter den Weißweinen hervorzuheben sind Pinot bianco, Pinot grigio, Verduzzo und Sauvignon, unter den Rotweinen Merlot und Pinot nero. Daneben gibt es viele neu entdeckte alte, lokale Rebsorten, die nur in begrenztem Umfang angebaut werden und daher auch nicht groß vermarktet werden können, jedoch hohe Qualitätsweine entstehen lassen, z.B. Refosco (rot) oder Ribolla gialla (weiß). Wichtige Weinanbaugebiete sind die Colli orientali um Udine und der Collio, von dem allerdings heute der größte Teil in Slovenien liegt. Auch ein Süßwein aus Verduzzo-Trauben gehört zu den bekannteren Weinen der Region. Im Zusammenhang mit Wein ist noch der Brauch des Tajut erwähnenswert: Wenn sich zwei Freunde auf der Straße begegnen, so lädt der Tradition nach der eine den anderen zu einem Gläschen Wein ein, welcher sich natürlich seinerseits mit einer Einladung zu einem weiteren Gläschen revanchieren muss. Während die beiden also zusammensitzen, kommen in kleineren Ortschaften garantiert noch weitere Freunde vorbei, die auch ein Gläschen spendiert bekommen bzw. spendieren müssen… – das Ende kann man sich denken. Wenngleich das gegenseitige Einladen heutzutage nicht mehr an erster Stelle steht, ist Tajut doch als Genuss eines Gläschen Weins am späten Vormittag oder frühen Abend in einer Osteria oder Bar, oft begleitet vom Verzehr einer Scheibe Schinken oder einem Bröckchen Montasio, ein noch immer gern gepflegtes Ritual.
Passend zum Schluss des Beitrags sei auf Grappa hingewiesen, der nicht nur Beiträge sondern als Digestiv vor allem Mahlzeiten beschließt. Grappa ist ein Brandwein, der aus den vergorenen alkoholhaltigen Pressrückständen der Weinherstellung, dem Trester, destilliert wird und zwischen 37,5 und 60 % Alkohol enthält. Populär ist er in ganz Norditalien, doch in Friaul – Julisch Venetien verweist man gern darauf, dass die erste Grappa-Produktion in Italien wohl 511 [sic!] n.Chr. im Friaul stattgefunden hat.[3]
Rezepte aus dem Friaul – Julisch Venetien
Willst du mehr über Regionalküchen wissen, dann findest du hier noch
- einen Beitrag über mögliche Ursachen der Entstehung regionaler Küchen in Italien
- eine Karte zur Auswahl einer anderen Region und deren typische Rezepte
- ein Verzeichnis aller regional nicht genau zuzuordnenden Rezepte
- Vgl. https://it.wikipedia.org/wiki/Regioni_d%27Italia (Letzter Zugriff: 16.07.2017)↵
- Silene vulgaris bzw. Silene angustifolia; das Gericht ist auch unter dem Namen Risotto ai carletti (italienisch) oder Risotto ai grisi (dialektal) bekannt.↵
- Vgl. https://it.wikipedia.org/wiki/Grappa#Storia (Letzter Zugriff: 16.07.2017)↵
Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 5. Januar 2024
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