Umbrien ist die einzige Region des Apennins, die nicht über einen Meeresküstenabschnitt verfügt. Das weitgehende Fehlen von Fisch wird jedoch durch Produkte wettgemacht, die oft einzigartig in Italien sind oder zumindest in Spitzenqualität angeboten werden: Vom schwarzen und weißen Trüffel, über Berglinsen und Emmer, schwarzen Staudensellerie und rote Kartoffeln, Schinken und Würste bis hin zum Bacio Perugina reicht die Reihe der Genüsse, mit denen schmackhafte Gerichte, oft etwas rustikalen Charakters, zubereitet werden.
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Das grüne Herz Italiens nennt sich die Region selbst. Und das ist nur bedingt ein Euphemismus, denn grün ist die Region tatsächlich: Es dominieren abwechselungsreiche, hügelige und bergige Landschaften, und das Fehlen von Meeresküste kompensieren Seen wie der Lago Trasimeno (der viertgrößte italienische See) oder viele kleinere und größere Flüsse, darunter der Tiber, spektakulärer jedoch Velino und Nera, an deren Zusammenfluss sich mit dem Wasserfall Cascata delle Marmore bei Terni ein besonders an Sommertagen erfrischendes Schauspiel bietet. Doch neben der Natur lockt auch die Kultur: Unzählige alte Kirchen, Paläste, Pinakotheken und vor allem in ihrer Bausubstanz gut erhaltene Dörfer und Städtchen finden sich in der Region, die weder landschaftlich noch kulturell den Wettstreit mit der benachbarten Toskana zu fürchten hat. Allein 27 umbrische Gemeinden dürfen die Auszeichnung Borghi più belli d’Italia (Die schönsten Orte Italiens) tragen. Auch ein gewisses kontemplativ-spirituelles Moment zeichnet Umbrien aus, hat doch die Region mit Benedikt, Franziskus und Klara drei wichtige Ordensgründer hervorgebracht. Die Religiosität gefördert hat auch der Umstand, dass große Teile des heutigen Umbriens bereits zum Patrimonium Petri gehörten und mit der Pippinschen Schenkung 754 auch das damalige Herzogtum Spoleto zum Kirchenstaat kam, dem Umbrien über 1.000 Jahre lang bis 1860 angehörte. Da die nur knapp 900.000 Einwohnern relativ verstreut leben und die Bevölkerungsdichte mit 105 Einw./km² ziemlich niedrig ist,[1] ist Umbrien auch heute noch ein Ort, an dem man Ruhe und Frieden findet, sich vielleicht nicht mehr religiöser Kontemplation hingibt, sondern an dem man sich eher entschleunigen kann, wie man das heute nennt. Die geringe Einwohnerzahl und Bevölkerungsdichte gehen allerdings einher mit dem Umstand, dass das BIP pro Kopf (mit 89 % des italienischen Durchschnittswerts)[2] das niedrigste in Mittelitalien ist. Ursächlich hierfür ist u.a. der relativ geringe Industrialisierungsgrad, denn nur um Terni gibt bzw. gab es nennenswerte Ansätze von Industrie, v.a. Stahlindustrie (Terni war die città d’acciaio, die Stadt des Edelstahls), ansonsten dominieren Landwirtschaft und tertiärer Sektor, besonders der Tourismus. Terni ist übrigens neben der größeren Provinz Perugia die zweite der beiden die Region bildenden Provinzen.
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Perugia ist zudem Hauptstadt der Region, deren Flagge auf grünem (!) Grund die drei Ceri di Gubbio zieren. Diese Kerzen werden in hölzerner, überdimensionierter Form alljährlich am 15. Mai bei einem Wettlauf durch die Straßen Gubbios, nordöstlich von Perugia gelegen, transportiert. Dieser Wettlauf wird ohne Unterbrechung seit dem Jahr 1160 durchgeführt, was erklärt, weshalb die Kerzen würdig sind, um auf der Flagge der Region Platz zu finden.
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Beginnen wir unseren kulinarischen Streifzug im Norden der Region, in der Provinz Perugia, und zwar ausnahmsweise mit dem Nachtisch, mit den Dolci. Perugia, das auch die bekannte, Italienisch-Kurse anbietende Ausländeruniversität beherbergt, ist kulinarisch nämlich besonders für Süßes bekannt. Dort werden seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts die Baci Perugina produziert, Schokoladen-“Küsse”, die aus Nüssen und Schokolade bestehen. Das angeschlossene Museum haben wir hier schon vorgestellt. Der Schokolade ist auch Eurochocolate gewidmet, ein jährlich im Oktober stattfindendes Festival, dessen Veranstaltungen und Verköstigungen knapp eine Mio. Besucher anziehen.
Doch nicht nur Schokolade prägt das Dolci-Angebot Perugias: Auch die Pinoccate, eine Süßigkeit aus Zucker und Pinienkernen, kommen von dort. Diese sind nicht zu verwechseln mit den umbrischen Pinolate, was Plätzchen mit Mandeln und Pinienkernen sind. Ebenfalls aus Perugia stammt ein Kuchen namens Torciglione, der vor allem aus Mandelmehl gefertigt wird und – je nach Kunstfertigkeit des Bäckers – aussieht wie eine Schlange und deshalb auch Serpentone genannt wird (ein ähnlicher Serpentone existiert als Serpentone di Sant’Anatolia im benachbarten Latium).Torciglione ist ein typisches Weihnachtsgebäck Perugias. Dort backt man dann ein paar Wochen später den Torcolo di San Costanzo, einen Kranzkuchen, der zu Ehren des Hl. Konstantin am 29.01. in den Ofen kommt. Ein paar Monate später, zu Ostern, geht es dann weiter mit einem Gebäck namens Crescia di Pasqua dolce, ein Osterkuchen mit langer Gärzeit. Ein noch bekannterer Osterkuchen (mit kürzerer Gärzeit) ist Ciaramicola, der PAT-Stutus besitzt und bei dem wir eine typische, in Umbrien (und überhaupt in Mittelitalien) sehr geschätzte Zutat kennenlernen, nämlich Alchermes, einen roten Likörwein, der nicht nur gut schmeckt, sondern den Speisen auch eine besondere farbliche Note verleiht. In Perugias Nachbarstadt Assisi, der Heimat des Hl. Franziskus, benutzt man Alchermes für die Rocciata di Assisi, eine Art Früchte-Kranzkuchen, der vor allem zu Allerheiligen bzw. Allerseelen gebacken wird. Und Alchermes kommt auch in die Zuckerkringel Zuccherini aus Bettona und in die Crostini ubriachi, die betrunkenen Crostini, die man zu Karneval in Città di Castello backt. Als bedeutendes Dolce aus der südlicheren umbrischen Provinz Terni ist Panpepato zu nennen, ein gepfefferter Gewürzkuchen, der gewissermaßen das umbrische Gegenstück zu Panforte, dem toskanischen Gewürzkuchen aus Siena ist.
Doch bleiben wir noch einen Moment in der nördlicheren der beiden umbrischen Provinzen und nähern wir uns gedanklich dem dort im Südwesten gelegenen kulinarischen Zentrum der Region, nämlich Norcia. Dieses Kleinstädtchen ist weit über Italien hinaus bekannt für zwei Produkte: Seine Fleisch- und Wurstwaren sowie seine Trüffel. Doch der Reihe nach – beginnen wir mit dem Schwein. Die Metzger Norcias waren und sind wahre Meister ihres Fachs. Sie beherrschen nicht nur die Fleischverarbeitung zu Schinken und Würsten, sondern auch das Schlachten der (im optimalen Fall) zuvor mit Eicheln, Kastanien und Getreide gefütterten Tiere. Früher zogen die Metzger Norcias im Winter durch ganz Mittelitalien, um dort als gewissermaßen fahrende Schlachter Schweine zu schlachten und zu verarbeiten. Ihre Fertigkeit war so gerühmt, dass man Schweine-Fleischereien in Mittelitalien Norcineria und einen Metzger Norcino nennt. Die von ihm hergestellte Produktpalette ist umfassend. An erster Stelle steht natürlich der Prosciutto di Norcia, ein roher Schinken mit IGP-Siegel, der u.a. mit Salz, Pfeffer und Knoblauch gewürzt wird und bis zu zwei Jahren luftgetrocknet reift. Neben Schinken werden allerlei Würste produziert, z.B. von Salsicce (normale, frische Würste), Salami, Coppa (eine Wurst aus verschiedenen Stücken des Kopffleischs) über Capocollo (aus Nackenfleisch) bis hinzu Mazzafegati (Wurst aus Schweineleber) – übrigens alles PAT-Produkte. Auch aus dem Fleisch anderer Tiere werden hervorragende Wurstwaren hergestellt, von Wildschweinwürsten bis hin zu Coglioni di mulo (Wurst aus den Hoden von Maultieren). Guter Schinken wird übrigens auch im Nachbarort Spoleto produziert.
Das zweite Produkt, für das Norcia berühmt ist, ist der Trüffel. Genauer gesagt die Trüffel, denn es gibt mehrere Sorten davon: den schwarzen Norcia-Trüffel (it: Tartufo nero pregiato [di Norcia], wiss: Tuber melanosporum), der im Winter gesucht wird, den sogenannten schwarzen Wintertrüffel (it: Tartufo nero invernale [di Norcia], wiss: Tuber brumale), der natürlich auch im Winter gesucht wird, den schwarzen Sommertrüffel (it: Tartufo nero estivo oder Scorzone, wiss: Tuber aestivum bzw. blotii) und schließlich den weißen Trüffel (it: Tartufo bianco, wiss: Tuber magnatum).[3] Alle Arten kann man in Umbrien finden: Weiße Trüffel, die besonders im Piemont um Alba herum beheimatet sind, findet man begrenzt auch um Gubbio, doch der wichtigere ist der schwarze Norcia-Trüffel, der um Norcia und Spoleto gedeiht. Ob nun der schwarze oder der weiße Trüffel der “bessere” ist, darüber streiten die Trüffel-Fans bislang ergebnislos. Fakt ist jedenfalls, dass der schwarze im Gegensatz zum weißen vielseitiger nutzbar ist, da man ihn auch roh genießen kann. Für den Tuber melanosporum werden denn auch hohe Preise erzielt – um die 700 €/kg zahlt man für größere Exemplare.[4] Bei den Preisen (aber natürlich auch beim intensiven Geschmack der Trüffel) wundert es nicht, dass man Trüffel nicht in größeren Mengen zu Gemüsegerichten verarbeit, sondern sie nur zum Aromatisieren von Speisen benutzt. Und dies tut man in Umbrien reichlich – viele Gerichte werden auch in einer Trüffelvariante angeboten: Als Antipasto speist man z.B. Crostini al tartufo, Pasta isst man gerne al Spaghetti al tartufo oder als Fettuccine al tarufo, bei Fleisch-Secondi werden gerne Wild oder Lamm (Agnello al tartufo) veredelt, bei Fisch-Gerichten hingegen Karpfen (Trota della Nera al tartufo). Rührei mit Trüffeln (Frittata al tartufo) ist ein weiteres beliebtes Gericht. Die Liebe zum Trüffel geht sogar so weit, dass man mitunter die (unten noch genauer vorzustellende) Crescia di Pasqua al formaggio mit ein wenig Trüffeln veredelt. Gesucht wurden Trüffel früher übrigens durch Schweine (und da schließt sich der Kreis des Produktangebots von Norcia wieder!), die allerdings mittlerweile durch die ebenso suchtüchtigen, jedoch weniger fresssüchtigen Hunde ersetzt sind.
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Um die mit der Präsentation von Alchermes, Wurstwaren und Trüffeln begonnene Präsentation der für Umbrien besonders typischen Lebensmittel fortzusetzen, sind noch unbedingt die mindestens ebenso wichtigen Linsen aus Castelluccio (IGP) zu erwähnen, die ich in einem großen Lebensmittelporträt schon früher ausführlich vorgestellt habe und mit denen man so leckere Gerichte wie Lenticchie alla castellucciana (Linsen auf Art von Castelluccio), Lenticchie in umido con pomodori (Linsen mit Tomaten) oder Pasta e lenticchie (Pasta mit Linsen) kocht. Unter ähnlichen Bedingungen werden in Umbrien bei Civita di Cascia (PG) die Roveja genannten Platterbsen (wiss: Pisum sativum subsp. arvense) angebaut, die etwas dunkler als herkömmliche Gartenerbsen sind und ähnlich wie Bohnen schmecken. Der von Slow Food als Presidio Slow Food[5] geförderte Anbau der sehr proteinhaltigen Platterbsen erfolgt jedoch nicht zur Nutzung als Viehfutter sondern zum menschlichen Verzehr: Insbesondere herzhafte Suppen wie die Zuppa di roveja kocht man damit. Ebenfalls mit dem IGP-Siegel ausgezeichnet ist die rote Kartoffel, die Patata rossa di Colfiorito, mit der man z.B. Gnocchi al sugo d’oca (Kartoffelklöße mit Gänsesauce) kochen kann. Renommiert sind auch Zwiebeln aus Umbrien, die Cipolle di Cannara, die man z.B. zur Zuppa di cipolle umbra (Umbrische Zwiebelsuppe; PAT) benutzen kann. Zu ergänzen sind der bereits anderswo kurz vorgestellte Sedano nero di Trevi (PAT), der schwarze Staudensellerie, der nur um Trevi angebaut wird und mit dem man in Umbrien z.B. Sedano ripieno (eine Art Sellerie-Auflauf mit Rindergehacktem und Schweinewürsten) kocht, und natürlich Emmer. Emmer ist eine sehr alte Getreidesorte, die als Farro di Monteleone di Spoleto (DOP) ebendort kultiviert wird. Berühmt ist die damit am Nikolaustag zubereitete Suppe Minestra di farro di San Nicola. Schließlich ist noch die Produktion von Olivenöl zu nennen. Natürlich wird auch andernorts in Italien hervorragendes Olivenöl gepresst, doch dass die gesamte Olivenöl-Produktion einer Region mit dem höchsten Lebensmittel-Prädikat DOP vermarktet werden darf, ist schon besonders hervorzuheben.
Kleine umbrische Langnudel-Kunde Sich unter Nudelgerichten etwas vorzustellen, ist in Umbrien doppelt schwer: Man muss nicht nur herausbekommen, wie eine Nudelart zu bereitet wird, sondern auch um was für eine Nudelart es sich handelt. Und das ist kompliziert, weil alle paar Kilometer ein und dieselbe Nudel einen anderen Namen trägt. Sehr beliebt sind (20 bis 25 cm) lange Nudeln (pasta lunga), die etwa einen Durchmesser haben wie Spaghettoni (also dickere Spaghetti). Sie werden oft frisch handgefertigt, und zwar meist nur mit Weichweizenmehl und Wasser – Hartweizenmehl oder Ei wird nur selten beigefügt. Man kann sie relativ einfach selbst herstellen – vgl. Rezept Nr. 3 und die Anleitung auf der Info-Seite Vgl. ausführliche, bebilderte Info-Seite Pasta selbst machenPasta selbst machen. Etwas unterschiedlich ist der Querschnitt: Der kann viereckig sein (dann wird die Teigplatte zusammengerollt und in schmale Streifen geschnitten) oder rund (dann wird nach dem Schneiden noch einmal gerollt). Das Ergebnis heißt dann Umbricelli (Perugia), Bringoli (nordöstliches Umbrien und benachbartes Arezzo), Anguillette (Lago Trasimeno), Manfricoli (Orvieto), Lombrichi (südwestliches-Umbrien und nördliches Lazio), Stringozzi (Spoleto), Strangozzi (Terni) oder Ciriole (ebenfalls Terni). Ciriole sind immer ohne Ei – der Name kommt vom Lateinischen cereus (dt: kreidebleich, blass). Lombrichi sind meist etwas kürzer und rund gerollt, damit sie ihrem Namen (dt: Regenwürmer) Ehre machen, wohingegen Strangozzi und Stringozzi fast immer einen viereckigen Querschnitt haben. Deren Name leitet sich ab von stringhe (dt. Schnürbänder) und erinnert daran, dass mit solchen oft aufständische Umbrer, die gegen ihre Unterjochung im Kirchenstaat revoltierten, die staatlichen Steuereintreiber strangulierten. Insofern haben sie eine gewisse antiklerikale Verwandschaft mit den Priesterwürgern, den Strozzapreti oder Strangolapreti. In Bezug auf die Form der Nudeln ist diese Verwandschaft allerdings etwas weitläufig, denn nur manchmal haben sie die gleiche Form[6] wie Strangozzi (sind also lange Nudeln), manchmal sind sie jedoch ganz leicht in sich gedreht und vor allem kürzer.[7] |
Widmen wir uns wieder der Speisefolge, die wir schon mit der Vorstellung der wichtigsten Dolci der Region eingangs begonnen haben. Antipasti sind kein Hauptpfeiler der umbrischen Küche. Oft werden Crostini gegessen, etwa die oben schon genannten Crostini al tartufo, manchmal auch, etwas moderner, Crostini con prosciutto e mascapone oder die wiederum sehr typischen Crostini con le rigaglie, also mit Hühnerklein.
Als Pasta kommen vor allem spaghettoniartige Langnudeln (vgl. Kasten) auf den Tisch. Diese isst man dann z.B. mit den oben schon genannten Trüffeln oder als Stringozzi alla spolentina (nach Art Spoletos mit einer Tomatensauce), Strangozzi all norcina (nach Art Norcias mit Salsiccia, Wein und Sahne). Ähnlich zubereitet werden die Lumache alla perugiana (schneckenförmige Pasta auf Art Perugias). Meist mit Fettuccine kocht man Fettuccine alle rigaglie, also mit dem schon oben benutzten Hühnerklein. Breitere Nudeln wie Pappardelle werden gern für Ragùs benutzt, etwa für Pappardelle al ragù di cinghiale (mit Wildschweinsauce) oder Pappardelle al ragù di coniglio (Kaninchen). Als weiteres sehr typisches Nudelgericht, das allerdings vermutlich nicht jedermanns Geschmack treffen dürfte, ist Spaghetti al rancetto zu nennen, das mit schon leicht ranzigem Speck gekocht wird. Neben Pasta isst man als Primo mitunter gern aus Kartoffeln zubereitete Gnocchi, etwa die schon oben genannten Gnocchi al sugo d’oca (mit Gänsesauce). Reis spielt in einer Region, die zu 100 % von Hügeln und Bergen geprägt ist, erwartungsgemäß keine Rolle. Übrigens fast ebensowenig Fisch: Da Umbrien über keine Meeresküste verfügt, kommen nur Süßwasserfische in Betracht, die meistens aus dem Lago Trasimeno stammen. So genießt man als fischhaltige Primi bspw. die Suppe Minestra di pesce del Trasimeno oder Spaghetti del lago.
Ähnlich sieht es bei den Secondi aus. Auch hier dominiert bei den Fischgerichten Süßwasserfisch, der z.B. als Tegamaccio di pesce del Lago Trasimeno (Fischpfanne) oder auch ganz exquisit als Trota al tartufo (Karpfen mit Trüffel) auf den Tisch kommt. Karpfen wird auch gern mit Wildfenchel gewürzt gegessen und das Gericht heißt dann Carpa in porchetta oder Regina in porchetta. Neben Karpfen gibt es natürlich auch noch andere Fische wie Aal, Hecht, Barsch, Schleie usw. Als Meeresfisch hat es nur der getrocknete und gesalzene Klippfisch als Baccalà in die Küche Umbriens geschafft, der dafür aber recht originell gern süß-salzig gegessen wird, z.B. als Baccalà con uvetta e prugne (mit Weintrauben und Pflaumen) oder Baccalà con sedano e prugne (mit Staudensellerie und Pflaumen).
Fleischgerichte überwiegen bei den Secondi deutlich. Mindestens drei Besonderheiten sind hinsichtlich der umbrischen Fleischküche hervorzuheben. Aus Umbrien stammt zunächst die in ganz Mittelitalien (und weit darüber hinaus) geschätzte Porchetta, worunter man ein am Spieß als Ganzes gebratenes Spanferkel versteht, das mit Kräutern, Innereien und vor allem (wildem) Fenchel gefüllt ist und nach dem Garen am Spieß erkaltet aufgeschnitten und mit einem Brötchen gegessen wird. Im engeren Sinn ist Porchetta damit kein eigenständiges Fleischgericht im Sinne der Speisefolge, sondern eher ein Spuntino, den man zwischendurch isst. Und so gibt es Porchetta nicht nur in speziellen Geschäften (porchetterie) und an Ständen etwa auf Märkten, bei Sport- und Kulturveranstaltungen, sondern in Umbrien (und Latium) sogar auch an der Landstraße zu kaufen. Ein echtes Streetfood also.
Auch wenn man Porchetta selten zuhause als Secondo isst, hat Porchetta aber durchaus andere Fleischgerichte, die im Rahmen eines Menüs gegessen werden, beeinflusst, denn unter der oben schon genannten Zubereitungsweise in porchetta versteht man das Füllen mit einer Mischung aus Kräutern, den gegarten und zerkleinerten Innereien des Tiers und vor allem (Wild-)Fenchel. Diese Art der Zubereitung wendet man bei vielen Fleischgerichten wie Carpa in porchetta (Karpfen) oder auch Anatra in porchetta (Ente), Agnello in porchetta (Lamm), Coniglio in porchetta (Kaninchen) oder Palomba in porchetta (Taube) an.
Und mit der Taube sind wir bei einer zweiten Besonderheit der umbrischen Fleischküche, denn in dieser spielen Tauben eine wichtige Rolle. Tauben isst man in allerlei Variationen. Die bekannteste Zubereitungsart ist Palomba alla todina, auch alla ghiotta oder alla leccarda genannt, wobei die beiden letztgenannten Begriffe auf Deutsch Fettpfanne bedeuten und auf die Zubereitungsart verweisen, bei der die Tauben am Spieß gegart und Fett und Bratensaft, die beim Garen austreten, in einer solchen Pfanne aufgefangen werden. Tauben werden aber auch z.B. gern als Palomba in salmì (in Wein mariniert und dann geschmort) oder als Palomba con noci (mit Nüssen) usw. zubereitet. Tauben schmecken den Umbrern nicht nur als Secondo, sondern auch andere Gerichte der Speisefolge haben oft Taubenbestandteile: Als Antipasto kennt man einen Insalata di piccione (Salat) und selbstverständlich gibt es auch ein Ragù di piccione, den man über Pasta oder Gnocchi geben kann. In dem ansonsten ziemlich reislosen Umbrien gibt es sogar einen Timballo di piccioni (Reisauflauf mit Tauben). Wer Lust hat, einmal Tauben zu probieren, sollte dies nach Möglichkeit in Todi (PG) tun, denn dort ist man wohl am taubenverrücktesten in Umbrien. Auf der Speisekarte darf man dann aber nicht nur nach dem Stichwort Palomba suchen, denn dies ist nur eine Taubenart, nämlich die Ringeltaube (wiss: Columba palumbus), die auch Colombaccio genannt wird. Die besonders beliebte wilde oder Felsentaube heißt auf Italienisch Piccione selvatico occidentale (wiss: Columba livia), und die normale Haustaube ist die Piccone domestico (wiss: Columba livia f. domestica). Weiße Tauben (it: Colomba) werden übrigens meines Wissens nicht verspeist, sondern werden z.B. bei Hochzeiten eingesetzt.
Die dritte Besonderheit ist bei näherem Hinsehen gar keine. Nur auf den ersten Blick erscheinen einem Gerichte wie Dolce morso merkwürdig. Dolce morso ist ein Gericht, das lediglich aus gegrillten und mit Salz und Pfeffer gewürzten Bauchspeicheldrüsen des Schweins besteht.[8] Auf den zweiten Blick erscheint logisch, dass bei der Fleischproduktion nicht nur Filets anfallen und diese Teile auch sinnvoll verwertet werden wollen. Heute fordert man oft Nachhaltigkeit; frühere Generationen waren – wenn auch aus ökonomischen Gründen – da weiter und nutzten alle Teile eines Tieres. Dennoch fallen einem angesichts heutiger Konsumgewohnheiten solche Rezepte auf, wenn man in Kochbüchern darüber liest. Vermutlich gibt es solche Rezepte auch in ähnlichen Varianten in Deutschland und auch anderswo in Italien – denken wir an das Quinto quarto, das fünfte Viertel, im Latium -, doch in Umbrien sind viele solcher Rezepte erhalten. Ein schönes Beispiel ist Orvieto. Dort gibt es einerseits das leckere Bistecca del curato (Kalbsrückensteak des Kuraten), doch andererseits isst man dort auch Cipré, einen Eintopf aus Innereien von Kaninchen oder Huhn. Keine Angst, ich werde jetzt nicht einen Schwerpunkt auf die Küche der Innereien legen und nur noch solche Rezepte veröffentliche (schon deshalb nicht, weil ich jedes veröffentlichte Rezept auch vorher selbst gekocht habe!), doch auf einem Blog, der sich der authentischen italienischen Küche verschrieben hat, sollte man vielleicht ab und zu daran erinnern, dass es auch Rezepte gibt, die wir vielleicht heute nicht mehr als so nachkochenswert empfinden, und dass das als authentisch Vorgestellte natürlich auch in gewisser Weise den persönlichen Geschmack der Verfasserin widerspiegelt.
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Doch lassen wir die schweren Gedanken und kommen wir noch einmal auf Fleischgerichte zurück. Neben den schon vorgestellten Gerichten isst man natürlich neben Schweinefleisch auch gerne Kalb, z.B. als Scaloppine di vitello alla perugina (Kalbschnitzel auf Art Perugias). Mit der Zubereitungsart alla cacciatora, die das Marinieren von Fleisch in Wein vorsieht, werden gern Huhn, (Pollo alla cacciatora), Fasan (Fagiano alla cacciatora), Hase (Lepre alla cacciatora), Lamm (Agnello alla cacciatora) usw. zubereitet. Friccò all’eugubina ist ein Schmorgericht aus Gubbio, bei dem vor allem Huhn benutzt wird.
Bekanntere Gemüsegerichte sind neben den schon oben genannten Linsengerichten oder dem auch schon genannten gefüllten, schwarzen Staudensellerie auch Scafata, ein Mischgemüse-Frühlingsgericht, oder Bandiera (Flagge), bei dem Gemüse in den Farben der italienischen Staatsflagge miteinander gekocht werden. Zum Dreikönigsfest bzw. Epifania wird gern Insalata di radicchio e melagrana (Salat aus Radicchio und Granatapfel) angerichtet.
In der Rubrik Pizza und Co. ist zunächst darauf hinzuweisen, dass man in Umbrien (ebenso wie im benachbarten Latium) Pizza gern mit Schweinegrieben belegt und als Pizza con gli sfrizzoli bzw. ciccioli serviert. Doch das wichtigste Gericht dieser Kategorie ist sicherlich die bekannte Crescia di Pasqua al formaggio, auch Torta al formaggio, Torta di pasqua oder Pizza di Pasqua al formaggio genannt. Dabei handelt es sich um eine salzige Torte, genauer gesagt um einen stark wachsenden (crescia kommt vom Verb crescere, dt. wachsen) Hefekuchen, der viel Käse enthält und den man Ostersonntag zum Frühstück oder Mittagessen verzehrt.
Bleiben wir beim Käse. Bedeutender sind Caciotta (teilweise mit Trüffeln aromatisiert) und PecorinoVgl. ausführliche, bebilderte LebenmittelinfoSeite Pecorino, der als Pecorino toscano auch noch in der Provinz Terni produziert wird, vor allem aber als Pecorino di Norcia. Unter den Weinen dürfte der bekannteste wohl der weiße Orvieto sein. An Rotweinen sind herausragender Sagrantino di Montefalco und Torgiano rosso.
Zur Vertiefung: | |
– Lebensmittel-Museen in Umbrien |
Rezepte aus Umbrien
Willst du mehr über Regionalküchen wissen, dann findest du hier noch
- einen Beitrag über mögliche Ursachen der Entstehung regionaler Küchen in Italien
- eine Karte zur Auswahl einer anderen Region und deren typische Rezepte
- ein Verzeichnis aller regional nicht genau zuzuordnenden Rezepte
- In Kampanien ist die Bevölkerungsdichte etwa 4 Mal so hoch – vgl. https://it.wikipedia.org/wiki/Regioni_d%27Italia (Letzter Zugriff: 22.10.2017)↵
- Vgl. ebd.↵
- Vgl. http://www.tartufonerodinorcia.it/ (Letzter Zugriff: 26.10.2017)↵
- Vgl. https://www.andareatartufi.com/wordpress/quotazioni-tartufo-nero-pregiato/ (Letzter Zugriff: 26.10.2017)↵
- Vgl. https://www.fondazioneslowfood.com/it/presidi-slow-food/roveja-di-civita-di-cascia/ (Letzter Zugriff: 26.10.2017)↵
- Vgl. https://www.taccuinistorici.it/ita/news/moderna/pasta-cereali/STRANGOZZI-e-STRASCINATI-umbri.html (Letzter Zugriff: 26.10.2017)↵
- Vgl. http://www.aboutumbriamagazine.it/tag/pasta-tipica-umbra/ (Letzter Zugriff: 26.10.2017)↵
- Vgl. https://www.ricettepercucinare.com/ricetta_umbra-dolce_morso.htm (Letzter Zugriff: 26.10.2017)↵
Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 5. Januar 2024
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- Zuppa ai funghi porcini e castagne
- Funghi porcini con crema di polenta