Roher Schinken aus dem Friaul

Mit dem Prosciutto di San Daniele und dem Prosciutto di Jauris hat die Küche des Friaul gleich zwei der leckersten italienischen Schinken-Sorten vorzuweisen. Wir erklären, weshalb sie besonders sind.

 

prosciutto

 

Prosciutto di San Daniele
Der San-Daniele-Schinken ist der bekanntere der beiden Sorten. Er stammt, wie der Name schon andeutet, aus San Daniele del Friuli, einem Kleinstädtchen in der Provinz Udine. Das hat ehrlich gesagt touristisch nicht allzu viel zu bieten, doch sein Schinken ist unbedingt einen Abstecher wert. Zwar stammt auch sein Konkurrent, der Jauris-Schinken, aus der gleichen Provinz, doch die Lage beider Städtchen ist verschieden und führt zu ebenso verschiedenen Schinken. San Daniele liegt in etwa in der Mitte zwischen den Bergketten der karnischen Alpen im Norden und der Adriaküste im Süden, und gerade dieses besondere Klima mit kühleren, trockenen Nordwinden und wärmeren, feuchteren Winden vom Meer wird – neben der Handwerkskunst der Fleischverarbeiter – für den besonders aromatischen, leicht süßlichen Geschmack des San-Daniele-Schinkens verantwortlich gemacht.

 

Bevor die mindestens 11 kg schweren Schweinekeulen zu Schinken verarbeiten werden können, muss das Fleisch zunächst nach San Daniele geschafft werden. Denn natürlich können nicht alle zu Schinken verarbeiteten Schweine in der Gegend um San Daniele aufgezogen werden. Deshalb dürfen die Schweinekeulen von den Tieren auch aus anderen Gebieten stammen: Zum größten Teil kommen sie aus dem Friaul – Julisch Venetien, der Emilia-Romagna, der Lombardei und Venetien, doch auch auf Flächen in Piemont, Toskana, Umbrien, Marken, Latium und Abruzzen dürfen Schweine wachsen, die, wenn bestimmte Zucht- und Mastvorschriften befolgt werden, später zu San-Daniele-Schinken verarbeitet werden. Sind die Schweine mindestens 9 Monate alt und bringen sie mindestens 150 kg auf die Waage, werden sie geschlachtet und ihre Keulen zu Schinken verarbeitet. Auch dabei sind bestimmte Verarbeitungsvorschriften einzuhalten, und dann – und nur dann – darf der Schinken als DOP-Schinken vermarktet werden.

 

prosciutto san daniele
Feinkostgeschäft in San Daniele del Friuli, bei dem Schinken verkostet wird.

 

Im Zuge der Verarbeitung werden zunächst Schwarte und größere Fettstücke entfernt. Dann wird die Keule gepökelt, also eingesalzen. Dabei wird die Keule zunächst mit Meersalz eingerieben, dann auf ein Holzbrett gelegt und mit Salz bedeckt, eine Prozedur, die alle paar Tage von den salatori, den Salzern, wiederholt wird. Die Dauer des Pökeln ist bedingt durch das Gewicht der Keule, wobei dieses Gewicht in Kilo in etwa auch die Anzahl der Tage des Pökelns angibt. Um dem Schinken seine typische Mandolinenform zu geben, wird er “in Form” gebracht und für ca. eine Woche gepresst, wodurch dem Fleisch Flüssigkeit entzogen wird. Dann folgt eine ca. dreimonatige Ruhephase, in der das Salz langsam in das Fleisch eindringt. Dann werden die Keulen gut mit Wasser gewaschen und getrocknet. Vor dem Reifen wird die Oberfläche des Schinkens, die nicht fettbedeckt ist, mit einer Paste aus Mehl, Schweineschmalz und grobem Pfeffer bestrichen. Danach beginnt die eigentliche Reifezeit des Schinkens, wozu er an einen trockenen, gut durchlüfteten Ort gebracht wird. Zwar ist der Schinken schon nach gut 6 Monaten genießbar, doch 12 Monate Reifezeit sind Standard, etwas teurere Schinken bringen es sogar auf 16 Monate. Am Ende der Reifezeit hat der Schinken knapp ein Drittel seines Ausgangsgewichts verloren.

 

prosciutto san daniele
In einer Metalldose vakuumverpackter Prosciutto di San Daniele

 

Erhältlich ist San-Daniele-Schinken natürlich am besten vor Ort, wo er auch zweifelsohne am billigsten verkauft wird. Dort ist er auch am frischesten und schmeckt so am besten. Die Auswahl ist zum jedes Jahr im August abgehaltenen Schinken-Fest Aria di festa am größten. Wer den Genuss zu Hause fortsetzen möchte, kann sich vor Ort entsprechend bevorraten. Wer nicht gleich eine ganze Keule kaufen mag, der kann auch kleinere Portionen in luftdicht geschlossenen Metalldosen erstehen. Und wer im Friaul nicht auf Einkaufstour gehen mag, kann San-Daniele-Schinken auch in gut sortierten Feinkostgeschäften in Deutschland erstehen, allerdings zu einem (ebenso wie der Schinken) gesalzenen Preis. Der ähnlich produzierte Parma-Schinken, prosciutto di Parma, von dem pro Jahr knapp 9 Mio. Stück[1] auf ähnliche Art und Weise produziert werden, ist preiswerter als der San-Daniele-Schinken, von dem nur 2,7 Mio. Stück[2] auf den Markt kommen und der als aromatischer gilt. Allerdings kein Licht ohne Schatten: Wie sein Bruder aus Parma ist auch der San Daniele mitunter in kriminelle Aktivitäten verwickelt. Beispielsweise wurden im August 2918 10 % der San Daniele-Schinken wegen undurchsichtiger Machenschaften beschlagnahmt.[3] Und um den kleinen Schinken-Exkurs zu vervollständigen: Normaler italienischer roher Schinken, prosciutto crudo (also ohne DOP-Siegel), unterliegt weniger strengen Herstellungsbestimmungen, kann von Schweinen aus ganz Europa stammen und muss eigentlich nur luftgetrocknet sein – zum Kochen und für den Alltagsbedarf super lecker, aber eben keine Delikatesse …

 

Was macht man nun mit dem San-Daniele-Schinken? Am besten relativ pur genießen. Den Kopf in den Nacken legen, mit den Fingern eine Scheibe Schinken von oben in den Mund führen, sie langsam kauen, ja eher noch mit der Zunge vorsichtig an den Gaumen drücken und genießen, allenfalls begleitet durch ein Stückchen Brot oder ein Gläschen Chardonnay. Selbst die Mitglieder des Konsortiums Prosciutto di San Daniele, in dem sich die lokalen Hersteller zusammengeschlossen haben, empfehlen diesen puristischen Genuss, wenngleich sie auf ihrer überaus informativen Webseite auch jede Menge Rezepte anbieten, die den Schinken als Zutat aufweisen. Eine beliebte Möglichkeit, den Schinken nicht pur, sondern in Form eines kleinen Gerichts zu genießen, ist Prosciutto di San Daniele con fichi, also Schinken mit Feigen, was ein ganz typischer Antipasto des Friauls ist. Auch mit Melone wird der Schinken gern gegessen.

 

Prosciutto di Sauris
Prosciutto di Sauris, der zweite bekannte rohe Schinken aus dem Friaul, ist ein IGP-Produkt. Wie schon oben gesagt, kommt er ebenfalls aus der Provinz Udine, doch aus dem Dörfchen Sauris in den karnischen Alpen. Er wird mit Salz, Pfeffer und Knoblauch gewürzt und sonst ähnlich wie der San-Daniele-Schinken produziert, doch mit zwei entscheidenden Unterschieden: Angeblich erfolgt das Waschen der Keulen mit Wein und Essig[4], und vor allem ist der Schinken aus Sauris der einzige italienische Schinken, der geräuchert wird, und zwar im Rauch von Buchen-, Kiefern- und Ginster-Holz. Daran schließt sich eine 12-monatige Reifezeit an. Da der Schinken ausschließlich von kleinen Handwerksbetrieben in Sauris hergestellt wird, ist die Produktion mit gut 40.000 Stück pro Jahr[5] sehr gering, so dass kaum Chancen bestehen, ihn in Deutschland kaufen zu können – ein Grund mehr, selbst nach Sauris zu reisen, wo jedes Jahr im Juli die Festa del prosciutto gefeiert wird.

 

Alle auf Authentisch-Italienisch-Kochen.de veröffentlichten Rezepte, die rohen Schinken enthalten, findest du unter der Zutat roher Schinken.

 

 

Fußnoten    (↵ zurück zum Text; ggf. geschlossenen Text zunächst öffnen)

  1. Bezogen auf 2014; vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Parmaschinken Letzter Zugriff: 22.08.2017
  2. Bezogen auf 2012; vgl. https://it.wikipedia.org/wiki/Prosciutto_di_San_Daniele Letzter Zugriff: 22.08.2017
  3. Vgl. https://www.scattidigusto.it/2018/08/17/prosciutto-san-daniele-truffa-sequestro/ Letzter Zugriff: 22.03.2021
  4. Vgl. Alessandro Molinari Pradelli: La cucina regionale italiana in oltre 5000 ricette, Roma (New Hampton) 2015, S. 189
  5. Bezogen auf 2009, vgl. https://it.wikipedia.org/wiki/Prosciutto_di_Sauris Letzter Zugriff: 22.08.2017

Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 5. Januar 2024
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