Muscheln sind schwierig. Miesmuscheln (auf Italienisch so schön cozze genannt) sind ja noch gut erkennbar, aber all die anderen Muscheln…? Meist sind es Venusmuscheln, die einem in Rezepten begegnen und die wir deshalb hier kurz betrachten wollen.
Venusmuscheln, it.: vongole, sind ein weites Feld. Es scheint allein über 680 Venusmuschel-Arten[1] zu geben, aber natürlich spielen – glücklicherweise – nicht alle eine Rolle in der italienischen Küche. Für unsere Belange sind v.a. zwei Arten wichtig: die
• | vongola verace (dt.: gegitterte Venusmuschel oder Kreuzmuster-Teppichmuschel[2]; wiss.: Ruditapes decussatus oder Venerupis decussata) und die |
• | vongola lupino oder ~ commune (dt.: gemeine Venusmuschel; wiss.: Chamelea gallina) |
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Die kurz Verace genannte Venusmuschel ist die größere von beiden. Sie ist zudem länglicher als die Lupino und hat auch größere Fühler. Ihre Schale zeichnet sich durch erhabene Rillen aus, und farblich ist ihr Spektrum weit gefächert von weiß bis gelblich, von haselnussbraun bis grau.
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Die Lupino ist wie gesagt die kleinere der beiden Muscheln. Sie ist von der Form her eher rundlich und hat eine glattere, gräuliche Schale.
Beide Muschelarten unterscheiden sich in einem weiteren wichtigen Punkt: Die Lupino kann nur im Meer gefangen, nicht aber gezüchtet werden. Die Verace hingegen ist züchtbar, und zwar in salzigem Brackwasser. Dadurch schmeckt sie nicht ganz so salzig nach Meer wie die Lupino, sondern etwas süßer. Der Großteil wird tatsächlich gezüchtet. Vielleicht ist dies mit ein Grund dafür, dass die Verace preislich teurer ist als die Lupino. Der Preisunterschied ist aber vor allem darauf zurückzuführen, dass Veraci meist aus italienischer Produktion stammen, Lupini hingegen oft preisgünstigere Importware sind.
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Neben den beiden genannten Venusmuschel-Arten, die zur Familie der Veneridae gehören, gibt es noch eine weitere Muschelart, die diesen ähnelt und auch kulinarisch benutzt wird, jedoch zur Familie der Donacidae (Koffermuscheln) zählt, nämlich die italienisch arsella bzw. tellina (dt.: Gebänderte Dreieckmuschel; wiss.: Donax trunculus) genannte Muschel. Die Arsella wird oft mit der Verace verwechselt, unterscheidet sich aber von dieser insofern, als sie etwas kleiner ist, ihre Schale rippenlos glatt und glänzend ist und sie farblich etwas heller und leuchtender ist.
Was die Benutzung der drei genannten Muschelarten in der Küche anbelangt, so haben wir ehrlich gesagt keine Unterschiede feststellen können. Wir haben den Eindruck, dass das verkocht wird, was vorhanden bzw. gerade frisch gefangen wurde. Insofern kann man ein mit Venusmuscheln verschlagwortetes Gericht getrost mit einer beliebigen der drei angeführten Muschelarten kochen. Und dies auch dann, wenn strenggenommen Arselle keine Venusmuscheln sind – die Italiener nehmen es hier auch nicht so genau, denn in Sardinien und Ligurien bezeichnet man die Verace fälschlicherweise als Arsella.
Wichtiger als die Frage, welche Muschelart nehmen, ist vermutlich eher die Frage woher nehmen. Während man Miesmuscheln ab und zu frisch kaufen kann, ist dies bei Venusmuscheln schon schwieriger. Mit etwas Glück findet man wenigstens tiefgefrorene Muscheln. Ist auch dies nicht der Fall, raten wir zu in Lake eingelegtem Venus-Muschelfleisch, das es in kleinen Gläschen gibt und meist unter der Bezeichnung Vongole sgusciate verkauft wird. Man sollte darauf achten, dass Vongole al naturale oder ähnlich auf dem Etikett steht, um nicht schon marinierte Muscheln zu erwischen. Mit etwas Glück kann man sogar unter verschiedenen Muschelarten auswählen. Erhältlich sind diese Gläschen in gut sortierten Italo-Geschäften, oder man bringt aus dem Urlaub einen kleinen Vorrat mit.
Wichtig ist auch die Frage nach dem Wieviel. Frische Muscheln mit Schale sind natürlich gewichtsmäßig nicht gut mit bereits gekochtem Muschelfleisch im Sud vergleichbar. Insofern muss man also ein wenig rechnen. Die von uns am häufigsten gefundene Angabe, die sich auch bei unseren Kochversuchen bestätigt hat, ist die, dass 1 kg frische Venusmuscheln ca. 220 g Muschelfleisch ergeben. Zusätzlich gilt es aber zu bedenken, dass manche Muscheln beim Kochen vielleicht nicht aufgehen, weshalb man lieber etwas mehr frische Muscheln kaufen sollte.
Kurios: Verblüfft hat uns bei unseren Muschel-Recherchen, dass offenbar Venusmuscheln zu den Tieren mit der längsten Lebenszeit zählen: Entsprechende Lebensbedingungen vorausgesetzt, können sie bis zu 400 Jahre alt werden![3]
Und über frühe “Fake-News” in der Bildenden Kunst haben wir auch etwas gelernt: Bekanntlich nahm man in der griechischen und römischen Antike an, die Muscheln seien geschlechtslos und würden im Meeresschaum geboren, ebenso wie die Göttin der Liebe und der Schönheit: Aphrodite (griechisch) bzw. Venus (römisch), wobei letztere Namensgeberin gleichnamiger Muschelart wurde. Sandro Botticelli setzte in seinem bekannten Werk diese Geburt in eine effektvolle Szene, in der er Venus in einer überdimensionierten Muschel anlanden lässt. Nur: Statt einer Venusmuschel zeigt Botticelli in Wirklichkeit eine Kammmuschel …
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Alle auf Authentisch-Italienisch-Kochen.de veröffentlichten Rezepte, die Venusmuscheln oder Arselle enthalten, findest du unter der Zutat Venusmuscheln.
- Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Muscheln (Letzter Zugriff: 20.02.24)↵
- Vgl. Meerwasser-Lexikon (Letzter Zugriff: 20.02.24)↵
- Vgl. https://orapesce.it/blogs/news/vongole-lupini-vongole-veraci-e-arselle-quali-differenze (Letzter Zugriff: 20.02.24)↵
Hallo Matta,
meine Frau und ich essen unheimlich gerne Muscheln. Am liebsten natürlich in Italien und in unmittelbarer Nähe zum Meer. Dieser Artikel war echt aufschlußreich. Vielen Dank hierfür, toll recherchiert und sehr verständlich. Leider gibt es bei uns weit und breit keinen Laden mit Venusmuscheln, höchstens gibt es im Edeka ab und an mal Miesmuscheln. Ich halte weiterhin die Augen offen, Du machst mir echt Appetit.
Du bist großartig, dankeschön,
Christoph
DANKE! 😉 😉 😉
Hallo Christoph,
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Probier`s einfach, wir sind begeistert.
Grüsse aus dem Süden, Reutlingen