Weihnachten und Jahreswechsel in Italien

Was isst man in Italien zu Weihnachten und Jahreswechsel? Einige Informationen zu italienischen oder besser: zu regionalen Essgewohnheiten, denn die italienische Festtagsküche gibt es nicht.

 

Die schon in diesem Blog wiederholt betrachtete Regionalität der Küchen Italiens schlägt auch zu Weihnachten durch: Die italienische Weihnacht gibt es nicht. Während in Deutschland die Weihnachtsgans mit Rotkohl und Kartoffelklößen sicherlich nicht in jedem Haus auf den Tisch kommt, so ist sie doch hier ein sehr typisches Weihnachtsgericht, das in Italien kein Pendant hat – zu groß sind die regionalen Unterschiede dort.

 

Allerdings gibt es schon ein paar Gemeinsamkeiten, die das Thema Weihnachten und Jahreswechsel in Italien charakterisieren und auf die ich kurz eingehen möchte (ausklammern werde ich allerdings – mit einer Ausnahme – alles Nichtkulinarische, da es hierzu schon viele informative Webseiten[1] gibt).

 

Typisch ist zunächst ein im Vergleich zu Deutschland geringerer Stellenwert des Heiligen Abends, der noch stärker als in Deutschland Alltagscharakter besitzt. Dies wird schon sprachlich deutlich, denn der Heilige Abend ist einfach Vigilia di Natale, also der Vorabend von Weihnachten. Eigentlich sollte an diesem Tag gefastet werden, zumindest aber fleischlos (di magro) gegessen werden. Somit kommt zum Abendessen des 24.12. nur Gemüse und Fisch auf den Tisch. Religiös gebundene Italiener brechen dann um Mitternacht zur Christmesse auf, nach der es dann allerdings auch noch einen kleinen, auch fleischhaltigen, Imbiss geben kann.

 

Das Weihnachtsfest selbst, Natale, ist wie bei uns ein klassisches Familienfest, bei dem vor allem zu Mittag ordentlich getafelt wird. Typisch ist dabei, dass es quantitativ sehr viel gibt. Schon Johann Wolfgang von Goethe schrieb in seiner “Italienischen Reise”:

“Es sind verschiedne Tage im Jahr, besonders die Weihnachtsfeiertage, als Schmausfeste berühmt” [2]

Oft wird nicht nur ein Primo und ein Secondo usw. serviert sondern gleich mehrere. Und natürlich kommt Fleisch auf den Tisch, und zwar beste Stücke. Was das aber im Einzelnen ist, ist wie gesagt regional, ja sogar lokal sehr unterschiedlich, so dass man von einem typisch italienischen Weihnachtsessen eigentlich nicht sprechen kann. Typisch ist lediglich, dass es sich oft um ein besonders aufwendiges, reichhaltiges Gericht handelt. Während man beispielsweise in der Emilia oft Tortellini in brodo als besonders reichhaltiges Nudelgericht schätzt, sind es in der Romagna die Cappelletti. Im umbrischen Gubbio gelangt hingegen typischerweise Friccò all’eugubina, ein Hühnchen-Schmorgericht, auf den Tisch. In Sizilien dagegen mag man zu Weihnachten oft Farsumagru, eine Art große, gefüllte Fleischroulade. Das Beispiel Farsumagru ist insofern sehr treffend, als es sich dabei um ein besonderes Essen, das für Weihnachten gut geeignet ist, handelt, aber eben um kein ausschließliches Weihnachtsessen, denn zu Neujahr (oder einem anderen bedeutenden Tag) steht es ebenso gern auf dem Speiseplan. In Deutschland hingegen ist das Essen vielleicht eher auf einen konkreten Anlass bezogen: Außer den Sankt-Martinstag und Weihnachten hat die deutsche Gans nichts zu fürchten, während die italienische Gans das ganze Jahr Angst um ihr Leben haben muss, denn Gans wird das ganze Jahr über gegessen und eine Häufung an den beiden genannten Tagen ist nicht signifikant.

 

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Panettone

Etwas landesweit Typisches gibt es in Italien hingegen in Form des Nachtischs, besser: eines der Nachtische des Weihnachtsessens, denn landauf, landab aufgetischt werden Panettone, ein aus Mailand stammender, hoher, leichter Hefekuchen mit Rosinen, Zitronat und Orangeat, und Pandoro, ein ähnlicher, ebenfalls hoher Hefekuchen nur mit Butter und Vanille gebacken, der in Verona erfunden wurde.

 

Da es schon an Weihnachten selbst kein typisches, italienweit aufgetischtes Gericht gibt, wundert es nicht, dass dies zu Santo Stefano, wie der zweite Weihnachtstag in Italien heißt, ebenso ist. Erst zum Jahresende, zu San Silvestro (Silvester) und Capodanno (Neujahr), gibt es mit Linsengerichten wieder etwas national verbreitete Esstradition. LinsenVgl. ausführliche, bebilderte Lebensmittelinfo-Seite Linsen aus Castelluccio werden aufgrund ihrer Form in Analogie zu Geldstücken gesehen – wer viel Linsen isst, wird im neuen Jahr viel Geld haben. Linsen gibt es allerdings erst um Mitternacht, entweder als einzelnes Linsengericht (wie z.B. Lenticchie alla castellucciana als genuine Variante oder etwas opulenter als Lenticchie in umido con pomodori) oder zusammen mit Zampone (gefüllter Schweinsfuß) oder Cotechino (eine Art Schweinswurst). Ob um Mitternacht noch diese Fleischgerichte aufgefahren werden, ist auch davon abhängig, was es vorher gab, denn der Silvesterabend wird vom Cenone di Capodanno bestimmt. Es ist wohlbemerkt keine Cena (≈ Abendessen), schon gar nicht eine Cenetta (≈ kleines Abendessen), sondern ein Cenone, also ein großes Abendessen, bei dem stundenlang getafelt wird, allerdings auch ohne verbindlichen Speisekanon. Ähnliches gilt für den Neujahrstag, wo es außer Linsen und Zampone bzw. Cotechino (die eigentlich aus der Emilia-Romania bzw. aus dem Friaul – Julisch Venetien stammen, doch auch im Zentrum und im Süden mitunter gegessen werden) keinen verbindlichen nationalen Esskanaon gibt.

 

weihnachten und jahreswechsel
Historische Krippe aus Santa Chiara, Neapel
(Klick auf Bild öffnet größere Abbildung)

Bildinfo

Page URL: https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3APresepe_storico_di_s._chiara%2C_napoli.JPG
File URL: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/69/Presepe_storico_di_s._chiara%2C_napoli.JPG
Attribution: von Sailko (Eigenes Werk) [CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons

Authentisch-Italienisch-Kochen.de

 

Aufgrund des diesen Beitrag illustrierenden Fotos noch ein Wort zur Krippe. Diese spielt in Italien traditionell eine viel größere Rolle als der aus dem Norden importierte Weihnachtsbaum. Familien stellen zu Weihnachten gern eine solche, vielleicht schon von Generation zu Generation vererbte Krippe auf. Besonders komplexe Exemplare können in Museen besichtigt werden. Ihre Beliebtheit beruht auch darauf, dass Krippen die Möglichkeit boten, viele Personen – insbesondere in Form der Darstellung verschiedener Berufe – teilnehmen zu lassen und damit eine Art soziale Teilhabe am Heilsgeschehen bzw. lokalen Geschehen zu bieten. Nicht nur Speisen sind also der soziale Kitt zu Weihnachten und Jahreswechsel in Italien.

 

 

Hier alle Rezepte zu
Heiligabend
Weihnachten
Silvester und Neujahr
auf Authentisch-Italienisch-Kochen.de.

 

 

Fußnoten    (↵ zurück zum Text; ggf. geschlossenen Text zunächst öffnen)

  1. Beispielsweise zu Weihnachten oder zum Jahreswechsel (Letzter Zugriff: 16.11.2015)
  2. Johann Wolfgang von Goethe: Italienische Reise, nach der Hamburger Ausgabe, München (Beck) 1980, S. 341

Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 5. Januar 2024
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2 Gedanken zu “Weihnachten und Jahreswechsel in Italien

  • 31. Dezember 2022 um 15:48
    Permalink

    Herzlichen Dank für diese umfangreiche Information!!
    Eines der wenigen Highlights in diesem Jahr war für uns Ihre Webseite.
    Meine Familie und ich freuen uns schon auf weitere Tipps zur Bereicherung unseres Speiseplans von Ihrer Seite!
    Einen guten Start in das neue Jahr, das für uns alle weniger aufregend verlaufen möge, wünscht
    Vera

    Antworten
    • 31. Dezember 2022 um 16:23
      Permalink

      Hallo Vera,
      danke für die freundlichen Worte! Auch dir und deiner Familie ein gutes Neues Jahr!
      LG Matta

      Antworten

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