Fleischgartechniken – Eine kleine Braten-Kunde

Rezepte für Fleischgerichte tragen unterschiedlichste Namen. Man stolpert über Arrosto, Bollito, Brasato, Lesso, Stracotto, Stufato und andere. Wir versuchen zu erklären, was dahinter steckt, und erklären verschiedene Fleischgartechniken.

fleischkochtechniken

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Stufato
Dies ist eine Fleischgartechnik des Schmorens von Fleisch in etwas Flüssigkeit bei einer langen Garzeit. Der Name leitet sich ab vom italienischen Wort für Ofen, nämlich stufa. Der klassische Ofen bot die Möglichkeit, aufgrund der Resthitze ein Nahrungsmittel über längere Zeit zu garen, ohne es aber hohen Temperaturen auszusetzen. Und so wird ein Stufato meist in einem Bräter mit Deckel unterhalb des Siedepunkts langsam gegart. Bei einem Sufato kann das Fleisch zuvor in Wein mariniert werden, kann (muss aber nicht) dann bei höherer Temperatur angebraten werden, um dann zu garen in seiner eigenen Flüssigkeit, meist ergänzt durch etwas Wein, Brühe oder andere Flüssigkeit, z.B. von Tomaten. Auch anderes Gemüse, wie Kartoffeln, kann zusammen mit dem Fleisch gegart werden. Die lange Garzeit ermöglicht es, auch weniger wertvolle Fleischstücke zu nutzen. Meist benutzt man Rind- und Kalbfleisch für ein Stufato, seltener auch Schweinefleisch. Ist das Fleisch nicht in einem Stück, sondern in kleingeschnittenen Würfeln, spricht man statt Stufato von einem Spezzatino oder Stufatino. Stufato-Gerichte sind z.B. Stufato di maiale lombardo (Schweineschmorbraten auf lombardische Art), Stufatino alla romana (Rindergulasch auf römische Art) oder Spezzatino di maiale alla lucana (Schweinegulasch auf lukanische Art). Für ein Stufato braucht es aber nicht zwingend Fleisch – auch Fisch oder Gemüse kann als Stufato gekocht werden.

stufatino alla romana
Stufatino alla romana coi gobbi

Stracotto
Schon der Name gibt Auskunft über die Kochzeit, denn stra… ist im Italienischen ein Präfix mit Superlativ-Funktion und cotto bedeutet gekocht, so dass man Stracotto mit sehr lang gekocht oder auch zerkocht übersetzen könnte. In der Tat sind Kochzeiten von 8 Stunden und mehr nicht unüblich. Der Stracotto wird also wie der Stufato bei relativ niedriger Temperatur in Flüssigkeit über eine lange Zeit gegart, unterscheidet sich von diesem aber dadurch, dass das Fleisch nicht zuvor mariniert wird. Wein (oder auch Brühe) wird also erst während des Kochens hinzugefügt. Und im Gegensatz zum Stufato wird er meist gespickt. Und das Fleisch wird meist im Ganzen gegart, also nicht in Würfel zerkleinert. Häufig wird das Fleisch auch zu Beginn angebraten. In der Regel wird bei dieser Fleischgartechnik Rindfleisch benutzt, aber auch das Fleisch von Schwein, Pferd und Esel werden so zubereitet. Ansonsten gleicht seine Zubereitung der des Stufato. Oft wird das gegarte Fleisch nicht als Braten verzehrt, sondern als Füllung oder zur Begleitung eines Gerichts benutzt, z.B. für gefüllte Pasta wie Anolini. Ein bekanntes Gericht ist der Stracotto alla piemontese.

Stracotto alla piemontese
Stracotto alla piemontese mit Bagnetto verde und Bratensauce

Brasato
Das italienische Wort brasare bedeutet schmoren,[1] ein Brasato ist also ein Schmorbraten. Der Begriff wird nahezu ausschließlich in der Lombardei und im Piemont benutzt und ist nicht so klar abgegrenzt wie der Stufato oder Stracotto. Gemeinhin versteht man unter einem Brasato ein ebenfalls bei relativ niedriger Temperatur in Flüssigkeit über eine lange Zeit gegartes, ganzes Stück Fleisch, wobei dieses meist zuvor in (Rot-)Wein mit würzenden Zutaten mariniert und dann angebraten wurde. Die Nutzung von Wein ist (im Gegensatz zum Stufato) beim Brasato die Regel. Dieses Garverfahren wird meist bei Rindfleisch angewandt. Ein Beispiel wäre unser Brasato auf lombardische bzw. piemontesische Art.

brasato
Brasato

Wie wir gesehen haben, sind Stufato, Stracotto und Brasato Methoden des Garen, die als gemeinsames Merkmal haben, dass über einen längeren Zeitraum bei niedriger Hitze in etwas Flüssigkeit geschmort wird. Man spricht bei dieser Fleischgartechnik von der Methode des sog. Niedrigtemperaturgarens. Wird im Ofen gegart, beträgt die Ofentemperatur meist um 80 ° und die begleitende Flüssigkeit kann so nicht kochen. Die Temperatur an der äußeren Oberfläche des Fleischs und die Temperatur im Inneren des Fleischstücks sind dabei nahezu identisch, wodurch kaum Fleischsaft austritt, das Fleisch daher nicht austrocknet und auch nicht zäh wird.

Arrosto
Ganz anders ist das Garen beim Arrosto, dt. Braten. Bei dieser Fleischgartechnik wird bei hohen Temperaturen (meist Ofentemperatur zwischen 150 und 200 °) gegart, die ein Temperaturgefälle zur Folge haben, demzufolge das Fleisch außen heiß, innen jedoch weitaus weniger warm ist. Aufgrund der relativ großen Hitze bildet sich außen eine aromatische, braune Kruste[2], während das Fleisch innen saftig bleibt. Dies ist übrigens auch der Grund dafür, dass auch beim Niedrigtemperaturgaren oft zu Beginn angebraten wird, damit sich diese bei hoher Temperatur entstehenden Röststoffe bilden. Beim Arrosto wird jedoch durchgängig mit hoher Temperatur gegart, was im Ofen, in der Pfanne oder auf dem Grill erfolgen kann. Diese drei Garmethoden unterscheiden sich hinsichtlich der Hitzeverteilung, je nachdem ob diese von einer Seite (Braten in der Pfanne) oder mehr oder weniger allseitig zugeführt wird. Flüssigkeit wie Wein, Brühe oder Wasser wird nicht zugegeben. Die Schwierigkeit bei dieser Methode des Garens besteht darin, angesichts des Temperaturgefälles zwischen außen und innen das Fleisch so hinzubekommen, dass es außen nicht zu stark bräunt (was visuell noch einigermaßen kontrolliert werden kann), aber innen gar ist. Letzteres ist gegeben, wenn innen eine Kerntemperatur von etwa 70 ° erreicht ist, was natürlich visuell nicht zu sehen ist, weshalb man oft ein Fleischthermometer zum Überprüfen der Temperatur benutzt. Ist der Arrosto gar, sollte er noch einen Moment ruhen, damit das Fleisch etwas fester wird und beim Schneiden weniger Fleischsaft austritt. Gebraten werden kann Fleisch von verschiedensten Tieren: Vom Rind über Schwein, Huhn, Kaninchen usw. Der Begriff Arrosto wird substantivisch (z.B. Arrosto di vitello al latte), häufiger aber adjektivisch benutzt, also z.B. Cinghiale arrosto (gebratenes Wildschwein). Bekannte Arrosti sind auch Arrosticini (auf dem Grill gegarte Lammspießchen) oder die Bistecca alla fiorentina (Florentiner Rindersteak). Ein aus dem Kotelettstück (Karree) des Schweins geschnittenes und im Ofen gebratenes Stück Fleisch nennt man oft Arista. Ursprünglich stammt der Begriff aus der Toskana, wird jedoch heute über die Grenzen der Region hinaus für ein so zubereitetes Gericht benutzt. Die bekannteste Arista ist die Arista alla fiorentina (Florentiner Schweinebraten).

arista alla fiorentina
Arista alla fiorentina

Bollito / Lesso
Von den oben genannten Techniken des Schmorens abzugrenzen ist die Zubereitung eines Bollito bzw. Lesso, denn dabei wird das Fleisch in Flüssigkeit eher gekocht als geschmort. Insofern handelt es sich also nicht mehr um einen Braten im engeren Sinne. Sowohl bollire als auch lessare haben im Italienischen die Bedeutung von kochen, doch ihre substantivische Nutzung lässt unterschiedliche Verwendungszwecke des Kochens von Fleisch deutlich werden: “Im Allgemeinen wird unterschieden zwischen Lesso, bei dem das Fleisch zur Herstellung der Brühe genutzt wird, und Bollito, das schmackhaftes Fleisch als Ziel hat.”[3] Dieser Unterschied schlägt sich auch nieder in der Temperatur des Wassers, in dem das Fleisch angesetzt wird: Fleisch für Bollito kommt ins kochende Wasser (damit nicht so viel Fleischsaft austritt), Fleisch fürs Lesso hingegen in kaltes Wasser. Beim Bollito wird dabei in der Regel nicht ein einziges Stück Fleisch gekocht, sondern meist mehrere von verschiedenen Tieren, wobei mitunter auch Cotechino, Salami u.ä. hinzugefügt werden. Dies heißt dann als Gericht Bollito misto (leider auch manchmal Lesso misto) und wird z.B. im Piemont mit Bagnettto verde und in der Emilia mit Mostarda serviert. Beim Lesso, oft synonym mit Bollito gebraucht, wird hingegen meist ein einzelnes Stück Fleisch gekocht. Der Begriff Lesso wird zudem assoziiert mit Zubereitungen, die eine Wiederverwendung von Fleisch in einem zweiten Rezept vorsehen, einem Rezept also, in dem auf bereits gekochtes Fleisch zurückgegriffen wird, wie bspw. beim Lesso rifatto.

lesso rifatto
Lesso rifatto

So weit die Theorie. In der Praxis sieht es jedoch oft anders aus. Z.B. unser Cinghiale arrosto trägt zwar im Namen die Bezeichnung arrosto, wird aber tatsächlich mit Marinade geschmort und ist daher kein “echter” Arrosto – traditionelle Bezeichnungen für Gerichte setzen sich insofern gern über die systematisch richtige Einordnung hinweg, d.h. der Name eines Gerichts ist nicht unbedingt mit der klassischen Zubereitungsart identisch. Hinzu kommen regionale Unterschiede im Sprachgebrauch. So sind die Begriffe Stracotto und Brasato eigentlich nur in Nord- und teilweise noch in Mittel-Italien gebräuchlich – andernorts würde man sie auch Stufato nennen. Oder Ragù, denn in Süd-Italien bezeichnet man durch Niedrigtemperaturgaren entstandene Gerichte auch als Ragù.[4]

 

Alle auf Authentisch-Italienisch-Kochen.de veröffentlichten Fleisch-Rezepte (Secondi) findest du hier .

 

 

Fußnoten    (↵ zurück zum Text; ggf. geschlossenen Text zunächst öffnen)

  1. Einer anderen Theorie zufolge leitet sich der Begriff vom piemontesischen Wort brasi ab und bedeutet Glut, denn früher wurde das Fleisch in einer Kasserolle gegart, wobei die Glut des Ofens von unten Hitze zuführte, aber auch durch etwas Glut, die auf dem Deckel platziert wurde. Vgl. https://www.lacucinaitaliana.it/news/in-primo-piano/differenza-stufato-brasato-spezzatino/ (Letzter Zugriff: 23.02.2023)
  2. Sogenannte Maillard-Reaktion, bei der auf der Oberfläche des Fleischs Verbindungen aus Eiweißen, Fetten und Zuckern entstehen.
  3. Guarnaschelli Gotto, Marco (Hg.) : Grande Enciclopedia della Gastronomia, Milano (Mondadori) 2007, S. 203
  4. Dabei ist zu beachten, dass der Begriff Ragù unterschiedliche Bedeutungen haben kann: Ragù kann im hier gemeinten Sinn ein im Ganzen geschmortes Stück Fleisch sein, aber auch eine Roulade (Carne al ragù) bezeichnen, doch häufig ist damit eine fleischhaltige Sauce, die Pasta begleitet, gemeint.

Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 5. Januar 2024
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